Sonntag, 13. Januar 2013

Wie die Gier nach Fleisch den Planeten bedroht

Manchmal ist es schon komisch, wie sich die Dinge so entwickeln. Da bringt die ARD am Montag einen seichten Themenabend über die Qualität von Supermarktessen inklusive belanglosem Talk bei Plasberg und nur wenige Tage später präsentiert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mit dem Fleischatlas* Daten und Fakten zur globalen Fleischproduktion, über die man nicht nur sprechen und diskutieren, sondern vor allem auch nachdenken sollte.

Rund 89** Kilogramm Fleisch (20 Prozent davon werden entsorgt) verbraucht jeder Bundesbürger durchschnittlich pro Jahr. Damit hat sich der Verbrauch innerhalb von 100 Jahren verdoppelt. Hinzu kommt, dass Deutschlands Fleisch-Exporte in nur zehn Jahren um 250 Prozent auf 3,7 Millionen Tonnen (im Jahr 2010) gestiegen sind. – Mit verheerenden globalen Folgen.

Unmengen von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, die für die Futterproduktion eingesetzt werden (müssen), sowie Tonnen von Tierfäkalien führen zu einer Überdüngung der Böden und verunreinigtem Grundwasser. Doch obwohl laut Foodwatch bereits ca. 50 Prozent der gesamten deutschen Ernte in Tiermägen verschwindet, muss rund ein Drittel des Futters importiert werden.

Die Folgen sind weitreichender als man zunächst annehmen mag. Um die enorme Nachfrage nach Soja zu befriedigen – die EU ist zweitgrößter Importeur – werden in Brasilien, Argentinien und Paraguay immer größere Anbauflächen benötigt. Im Fleischatlas heißt es daher treffend: „Und da beginnt das deutsche Rind am Regenwald zu nagen.“ Schätzungen des Weltagrarrates zu Folge, beansprucht die Nutztierhaltung weltweit etwa 70 Prozent der gesamten Agrarflächen.

Das klingt vielleicht utopisch, lässt sich aber besser nachvollziehen, wenn man sich den Rohstoffeinsatz vor Augen führt, der notwendig ist, um ein Kilogramm Fleisch herzustellen. Laut Berechnungen des WWF verschlingt die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch rund 6,5 Kilogramm Getreide, 36 Kilogramm Raufutter (u.a. Grünfutter, Rüben, Silage, Heu, Stroh) und 15.500 Liter Wasser (Trinkwasser, Stallreinigung und Futterproduktion).

Auf Grundlage dieser Zahlen, müsste Fleisch eigentlich ein Luxusprodukt sein. Doch die weltweite Gier nach billigem Fleisch scheint unstillbar. Dieses Verlangen führt unweigerlich zur Massentierhaltung. 40.000 Hühner oder 2.000 Schweine unter einem Dach, sind da längst keine Ausnahme mehr. Mit einem Bauernhof haben diese Mastbetriebe jedoch kaum noch etwas gemein.

Die katastrophalen Bedingungen der Massentierhaltung bergen eo ipso die Gefahr von Krankheits- und Seuchenausbrüchen, die den gesamten Tierbestand des Betriebs bedrohen. Aus diesem Grund ist der Einsatz von Antibiotika fast schon obligatorisch. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden gesunden Tieren mittlerweile mehr Antibiotika verabreicht als kranken Menschen. Studien aus Niedersachen und Nordrhein-Westfalen stützen diese These. So setzen 82 Prozent der niedersächsischen Masthuhnbetriebe, 77 Prozent der Mastschweinbetriebe und alle Mastkalbbetriebe Antibiotika ein.

Dieser Medikamentenmissbrauch führt zur Bildung antibiotikaresistenter Bakterien. In einer von den Grünen im Dezember 2012 in Auftrag gegebenen Studie wurden in 16 Prozent der Schweinemettproben (50 Proben aus 10 dt. Städten) resistente Keime nachgewiesen. Die Ausbreitung solcher antibiotikaresistenter Keime stellt eine enorme Gefahr für die Gesundheit dar. Vermeintlich harmlose Infektionen könnten daher in naher Zukunft wieder lebensbedrohlich werden.

Die Auswirkungen der Fleischproduktion gehen weit über das Leid der einzelnen Tiere hinaus. Es handelt sich um eine globale Katastrophe, mit gravierende Folgen für die Umwelt sowie die Menschen. Und selbst wenn vielen das Leid der Tiere egal sein mag, die systematische Zerstörung von Regenwald, der Umwelt im Allgemeinen und die Schädigung der Gesundheit durch die Fleischindustrie, sollte es nicht sein!


* Ein Kooperationsprojekt von Heinrich-Böll-Stiftung, Bund für Umwelt- und Naturschutz und Le Monde diplomatique.

** Wie diverse Medien wie Spiegel-Online, Sueddeutsche.de, Welt.de und Tagesschau.de unisono auf einen Pro-Kopf-Verzehr von 60 Kilogramm Fleisch kommen, obwohl sie sich ebenfalls auf den Fleischatlas berufen, ist mir indes ein Rätsel. Bei mir ergeben 89 Kilogramm abzüglich der 20 Prozent, die im Abfall landen, nämlich rund 71 Kilogramm. Da schreibt wohl einer vom anderen ab.

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