Sonntag, 27. Januar 2013

Rundfunkbeitrag ist verfassungswidrig

Ich habe mich hier schon einmal über den neuen Beitrag ausgelassen, doch vielleicht kommt ja jetzt endlich etwas Bewegung in die Sache. Der Leipziger Verfassungsrechtler Prof. Dr. Christoph Degenhardt stellte in einem Gutachten für den Handelsverband Deutschland (HDE) fest, dass es sich bei dem neuen Rundfunkbeitrag sehr wohl um eine Steuer handelt, zu deren Beschluss die Länder nicht befugt sind. Der Rundfunkbeitrag ist damit verfassungswidrig.

Ob und inwieweit Unternehmen nun stärker belastet werden, wie beispielsweise auch die Handelskette Rossmann, dürfte dem gewöhnlichen Bürger jedoch herzlich egal sein. Möglicherweise führt das Gutachten jedoch auch dazu, den Beitrag bzw. die Steuer noch einmal auf den Prüfstand zu stellen.

Die neue Erhebung ist nämlich an mehr als einer Stelle ungerecht und vollkommen absurd. So ist beispielsweise für einen Zweitwohnsitz ein weiterer Beitrag in voller Höhe zu entrichten. Um dem gerecht werden zu können, müsste sich der Nutzer wohl zweiteilen können. Und während sich ALG-II und BAföG-Empfänger befreien lassen können, müssen Geringverdiener zahlen, obwohl sie mitunter sogar weniger Geld zur Verfügung haben als erstgenannte. Ist das gerecht?

Darüber hinaus muss auch die Frage erlaubt sein, warum Bürger für etwas zahlen sollen, das sie gar nicht nutzen (wollen). Technisch gesehen stellt es kein Problem dar, die Programme zu verschlüsseln. Die Digital- und HD-Programme der privaten Anbieter sind schließlich auch nur mittels einer Smartcard zu empfangen. Schwarzsehen wäre dann praktisch unmöglich. Im Gegensatz zu anderen Pay-TV-Sendern dürfte sich die Anzahl der Hacker schon aus Altersgründen sehr in Grenzen halten.

Der einzige Grund, warum die Möglichkeit der Verschlüsselung nicht ernsthaft in Betracht gezogen wird, ist die Angst vor den Folgen. Was, wenn sich tatsächlich viele Leute gegen die Öffentlich-Rechtlichen entscheiden sollten? Der ganze Apparat ist so aufgeblasen, dass das Geld an allen Ecken und Enden fehlen würde. Jährlich verschlingen die Öffentlich-Rechtlichen ca. 8 Milliarden Euro.

Die Verantwortlichen sagen dann immer gerne, dass die Demokratie jedem Bürger die ca. 18 Euro im Monat wert sein sollte. Das klingt nicht nur ziemlich abgehoben und selbstgerecht, das ist es auch! Die Demokratie steht und fällt sicher nicht mit Florian Silbereisen, Rosamunde Pilcher und Telenovelas. Ja noch nicht einmal mit Jauch, Plasberg, Will, Illner und Maischberger.

Unsere Demokratie benötigt keine 23 öffentlich-rechtlichen Fernsehsender und auch keine 80 Radiosender. Noch dazu sind diese Sender alles andere als unabhängig. Die Aufsichtsräte und Intendantenposten sind infiltriert von Politikern. Unabhängigkeit sieht anders aus. Selbst vor Vetternwirtschaft schreckt das System nicht zurück, wie der jüngst vom Spiegel aufgedeckte Fall der Schleichwerbung bei „Wetten, dass..?“ zeigt. Demzufolge verdiente Christoph Gottschalk dank lukrativer Werbeverträge mit dem ZDF im Rahmen der Sendung kräftig mit.

Doch in solchen Fällen stellen sich die Verantwortlichen dann immer dumm. So behauptete ZDF-Intendant Thomas Bellut kürzlich bei Maischberger, er hätte von derartigen Verträgen keine Kenntnis. Oliver Pocher wollte Bellut diese Aussage jedoch nicht abkaufen. Immerhin hat Pocher selbst mal für die ARD gearbeitet und verfügt somit über ein Wissen, das uns leider verborgen bleibt.

Die von den Öffentlich-Rechtlichen veröffentlichten Geschäftsberichte sind nämlich alles andere als aufschlussreich. Wir wissen, dass der Aufwand für Personal und Pensionen enorm hoch ist. Auch, dass Moderatoren nicht selten mit Unsummen von den Privatsendern abgeworben werden. Oder Monika Lierhaus als Botschafterin der „gemeinnützigen“ ARD-Fernsehlotterie 450.000 Euro kassiert. Wie viel die einzelnen Akteure wie Jauch, Plasberg oder Pilawa allerdings verdienen, wissen wir nicht. Aber warum müssen diese Zahlen nicht veröffentlicht werden? Sind wir als Beitragszahler nicht „Teilhaber“?

Die Öffentlich-Rechtlichen loben sich selbst als demokratiesichernd, doch wo bleibt die Demokratie in ihrem System? Warum haben wir als Beitragszahler weder Mitspracherecht beim Personal, noch bei Inhalten? Moderatoren wie Jauch, Pilawa, Plasberg und Will beziehen alle nicht nur fürstliche Gehälter, sie produzieren ihre Sendungen auch noch selbst und kassieren auf diesem Wege gleich noch einmal ab.

Warum das so ist, obwohl ARD und ZDF die Sendungen problemlos selbst produzieren könnten, bleibt ein Geheimnis. Auch, warum die nun aus dem Amt scheidende WDR-Intendantin Monika Piel ein Grundgehalt von 308.000 Euro beziehen soll. Damit erhält sie nahezu ein Drittel mehr als Bundeskanzlerin und Bundespräsident. Schon interessant, dass uns die Intendanten offenbar wichtiger sind als die politischen Führer.

In diesem System herrscht nicht die geringste Transparenz und keinerlei Möglichkeit der Partizipation. Darf es sein, dass der Rundfunkbeitrag dafür verwendet wird, Bayern München den neuen Star-Trainer zu finanzieren? Mit welchem Recht geschieht das? Mit welchem Recht kann das ZDF die private Konkurrenz bei den Übertragungsrechten der Champions League überbieten?

Natürlich bringen die Öffentlich-Rechtlichen auch ab und an mal etwas Vernünftiges hervor. Aber das dürfte bei dem riesigen Aufwand auch zu erwarten sein. Nicht selten senden sie Qualität jedoch völlig kaputt, indem sie das Format ins Nachtprogramm oder gar auf einen der Spartenkanäle verbannen.

In dieser Form sind die Öffentlich-Rechtlichen sicher nicht demokratiefördernd. Im Gegenteil – das qualitativ minderwertige Programm mit Telenovelas, Sport, seichten Unterhaltungs-Shows und -Filmen wirkt wie ein Tranquilizer und lähmt jegliches revolutionäres Potential. Anstatt zum Nachdenken anzuregen, Machtkämpfe zwischen Power-Block und People zu ermöglichen und Dialoge zu fördern, festigt es lediglich den Status quo. Und dieser beinhaltet auch eine verkappte Steuer für einen fetten Staatsapparat.

Sonntag, 20. Januar 2013

Zwangsfinanziertes Trash-TV: "Wetten, dass..?"

Wer nicht mit der Zeit geht, der muss mit der Zeit gehen. Die Sendung „Wetten, dass..?“ scheint diesem ungeschriebenen Gesetz jedoch zu trotzen. Und das seit nunmehr 32 Jahren. Dabei ist die familiäre Samstagabendunterhaltungsshow längst tot. Die Zeiten, in  denen die Show regelmäßig mehr als 20 Millionen Menschen vor den Bildschirm lockte, sind Geschichte. Dennoch hält das ZDF unbeirrt an diesem Format fest. – Zu Unrecht, wie auch die gestrige Sendung wieder einmal demonstrierte.

Zugegeben, die Show war schon zu Gottschalks Zeiten gespickt von Peinlichkeiten und Fremdschämmomenten. Doch es scheint, als sei das ZDF fest entschlossen, sich im Niveaulimbo-Wettkampf gegen die private Konkurrenz durchzusetzen. Das beginnt damit, dass jeder Wettkandidat in einem Einspielfilmchen vorgestellt wird. Mit der Wette an sich hat das meist gar nichts zu tun, vielmehr werden die Kandidaten in ihrem angeblichen alltäglichen Umfeld präsentiert. Moment, das kennen wir doch. Richtig, genauso stellt ProSieben seit Jahren die potentiellen Gegner Raabs vor.

Doch während man bei Raabs Einspielfilmchen schon mal das Gefühl hat, Chuck Norris sei nicht der einzige Übermensch, stellt uns Lanz ein übles Klischee vor. Einen asitoastergebräunten, gegelten Hobby-Bodybuilder und –Wrestler, der davon träumt einmal Schönheitschirurg zu werden, um dann nicht minder klischeebehafteten Vertretern des anderen Geschlechts die Brüste zu vergrößern. Und nein, ich habe mich nicht im Sender vertan.

Bei „Wetten, dass..?“ gibt es eben keine Übermenschen, Cindy einmal ausgenommen. Bei der ist es jedoch eher die horizontale Übergröße, die sie zum Übermenschen dieser Sendung macht. Aber über im Sinne von überall überflüssig. Ich bin dieser Übergewichtigen überaus überdrüssig und überall und überhaupt würde ich dieses Übergewicht zu einem überschallschnellen Übergang oder besser Abgang überreden.

Lanz ist ja schon peinlich genug. Diese Gesprächstechnik und diese dummen Fragen („Wie ist es einen Oskar zu gewinnen?“) sind wirklich nur schwer zu ertragen. Die Gäste tun da ihr übriges. Was interessiert es mich, ob der Schweighöfer nun Flugangst hat und drei Minuten darüber schwadroniert? Noch viel weniger interessiert es mich, dass Ralf Schmitz in seiner Kindheit Strumpfhosen getragen hat. Das ist so furchtbar belanglos, so grauenvoll ermüdend, dass ich mir die Fernbedienung wie eine Pistole an den Kopf halte, während ich weiterzappe.

Ich weiß nicht, wie viel man trinken muss, um Ralf Schmitz lustig zu finden. Wie er da so endlos ohne Punkt und Komma daherredet und es einfach nicht versteht eine Pointe zu setzen. Und wen es amüsiert, wie Schmitz dann ungelenk im Tutu über die Bühne springt, der lacht wohl auch über den Tortengag. Ein dankbares Publikum ist das. Eines, das eben auch eine furchtbar hässliche, fette Frau im pinken Strampler lustig findet.

Hahahaha, die ist ja soooo witzig. So schön selbstironisch, hahaha. Nein, das ist nicht lustig! Die fette, arbeitslose Ilka Bessin aus der Plattenbausiedlung schminkt sich noch ein bisschen hässlicher, als sie ohnehin schon ist, quetscht sich in billige, peinliche Klamotten und redet noch ein bisschen prolliger daher, als sie in Wahrheit ist und fertig ist die Kunstfigur Cindy. Ja, das reicht schon, um hierzulande berühmt und erfolgreich zu sein. Nein, es reicht sogar, um die erfolgreichste Frau im deutschen Fernsehen zu werden. Welch ein Armutszeugnis!

Und das Traurigste ist wirklich, dass selbst vermeintlich anspruchsvollere Medien wie Spiegel Online und Sueddeutsche.de diese Person heute noch über den grünen Klee loben. Sie sei der einzige Lichtblick der Show. Was ist bloß los mit den Leuten?

Es gibt sicherlich viele Arten von Humor, aber Cindy gehört sicher nicht dazu. Es ist immer und immer wieder der gleiche Schwachsinn. Diese Frau kann ja gar nichts anderes als diese eine langweilige, ausgelutschte und eben überhaupt nicht komische Rolle. Und im Übrigen ist selbst diese eine Rolle nur ein billiger Abklatsch.

Die einzig wahre prollige Ghettoschlampe ist nämlich Vicky Pollard! Und der Unterschied ist gewaltig. Zwar verkörpern auch Matt Lucas und David Walliams in ihren Little-Britain-Sketchen stets primitive Figuren - von denen jede ihre eigene Catch-Phrase hat - aber dabei sind die beiden extrem wandlungsfähig. Jeder verkörpert etwa ein Dutzend Figuren. Cindy ist Cindy. Immer und überall. Und das seit ca. acht Jahren. Es ist der immer gleiche Aufguss, der schon beim ersten Mal wenig erfrischend und alles andere als geschmackvoll war.

Wenn dieses fleischgewordene pinke Wollknäuel nun durch Sendungen im Privatfernsehen rollt, dann kann mir das ja noch herzlich egal sein, aber wenn das ZDF zwangsfinanzierten Bullshit mit diesen Trash-TV-Ikonen fabriziert, dann bringt mich das verdammt noch mal zur Weißglut!

Mittwoch, 16. Januar 2013

Same Procedure As Every (Mon)day

Ich kann es einfach nicht mehr sehen! Das allabendliche Fernsehbild nervt. In meiner Verzweiflung bleibe ich immer öfter bei den Öffentlich-Rechtlichen hängen. Man sollte doch annehmen dürfen, dass bei einem acht Milliarden Euro Etat zumindest zur Prime-Time mal etwas Vernünftiges dabei herausspringt. Dem ist aber leider nicht so.

Was für ein grauenhaft schlechter Tatort war das am Sonntag? Schlechtes Drehbuch, schlechte Szenerie und auch furchtbar schlechte und blasse Darsteller. Jeder Filmstudent stellt mit geringeren Mitteln wesentlich interessanteres auf die Beine.

Mangels Alternativen zappte ich am Montag auch wieder bei Plasberg rein. Und erneut war es eine grauenhaft lahme Talkrunde. „Blitzer, Steuern, City-Maut – Freie Fahrt nur für reiche Bürger?“ Immer diese dämlichen Themen, die so überkandidelt klingeln, als stammten sie geradewegs aus der Feder eines RTL-Explosiv-Redakteurs.

Eine Reich-Arm-Debatte blieb den Zuschauer dann jedoch glücklicherweise erspart. Stattdessen wurden mal wieder die gängigsten Klischees bedient. Da waren das testosterongelandene Vierkant mit dem grauenhaften Modegeschmack und die ehemalige Rallyfahrerin, die sich für die Rechte der Autofahrer stark machten. Für Tempolimit, Blitzer und City-Maut sprachen sich dagegen Harald Schmidts Ex-Sidekick und überzeugter Fahrradfahrer Manuel Andrack sowie der grüne Oberbürgermeister Tübingens aus.

Komplettiert wurde die Runde von Peter Ramsauer, der vor allem sich und seine Verkehrspolitik lobte. Das hätte er bei Jauchs Flughafen-Talk wohl schwerlich gekonnt, vermutlich hatte er seine Teilnahme deshalb dort abgesagt.

Tja, was soll man dazu sagen? Die einen wollen freie Fahrt für freie Bürger, die anderen beklagen sich über Raser und wollen die guten Bürger vor diesen gemeingefährlichen Rasern schützen. Verhärtete Fronten und jedes Statement wurde schon unzählige Male gehört.

Was mich bei solchen Diskussionen aber immer zur Weißglut bringt, sind Leute wie Andrack und Palmer, die in ihren Städtchen schön mit dem Radel verkehren oder sich bei miesem Wetter auch mal ein Taxi gönnen und sich daher in moralischer Überlegenheit wähnen. Schön für euch! Aber es gibt eben auch Leute, die täglich etliche Kilometer zwischen Wohnung und Arbeitsplatz pendeln müssen. Was maßen sich diese Radfahrer an, anderen Menschen Vorschreibungen machen zu wollen, von denen sie selbst nicht oder nur selten betroffen sind? 

Das ist in etwa so, als wenn der Papst die Sexualmoral definierte. Wie, das tut er auch? Also das ist ja... Das kann doch nicht...

Lassen wir das. Es ist ja doch immer das gleiche leere Geschwätz, das uns in diesen Talkrunden so vorgesetzt wird. Und so langsam dolcht mich, dass diese seichte Unterhaltung ganz genau das Ansinnen von Öffentlich-Rechtlichen und Politikern ist. Man nehme ein streitbares, aber im Prinzip belangloses Thema, suggeriere den Zuschauern ihre Stimme fände Gehör, in dem man ein paar Statements zusammenhangslos vorliest und fertig ist die Abendunterhaltung.

Politiker erhalten so die Gelegenheit, sich dem Elektorat zu präsentieren und ein paar mediengeile Fernsehsternchen können abseits ihrer sonstigen Sendezeit ein bisschen an ihrem Image feilen. Alles schön einfach verpackt, möglichst unaufgeregt und konsensfähig. Bloß keine schlafenden Hunde wecken. Umarmt den Status quo. Und ehrlich gesagt, nach so einschläfernden Sendungen fällt es mir auch immer schwerer, mich überhaupt noch darüber aufzuregen...

Sonntag, 13. Januar 2013

Wie die Gier nach Fleisch den Planeten bedroht

Manchmal ist es schon komisch, wie sich die Dinge so entwickeln. Da bringt die ARD am Montag einen seichten Themenabend über die Qualität von Supermarktessen inklusive belanglosem Talk bei Plasberg und nur wenige Tage später präsentiert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mit dem Fleischatlas* Daten und Fakten zur globalen Fleischproduktion, über die man nicht nur sprechen und diskutieren, sondern vor allem auch nachdenken sollte.

Rund 89** Kilogramm Fleisch (20 Prozent davon werden entsorgt) verbraucht jeder Bundesbürger durchschnittlich pro Jahr. Damit hat sich der Verbrauch innerhalb von 100 Jahren verdoppelt. Hinzu kommt, dass Deutschlands Fleisch-Exporte in nur zehn Jahren um 250 Prozent auf 3,7 Millionen Tonnen (im Jahr 2010) gestiegen sind. – Mit verheerenden globalen Folgen.

Unmengen von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, die für die Futterproduktion eingesetzt werden (müssen), sowie Tonnen von Tierfäkalien führen zu einer Überdüngung der Böden und verunreinigtem Grundwasser. Doch obwohl laut Foodwatch bereits ca. 50 Prozent der gesamten deutschen Ernte in Tiermägen verschwindet, muss rund ein Drittel des Futters importiert werden.

Die Folgen sind weitreichender als man zunächst annehmen mag. Um die enorme Nachfrage nach Soja zu befriedigen – die EU ist zweitgrößter Importeur – werden in Brasilien, Argentinien und Paraguay immer größere Anbauflächen benötigt. Im Fleischatlas heißt es daher treffend: „Und da beginnt das deutsche Rind am Regenwald zu nagen.“ Schätzungen des Weltagrarrates zu Folge, beansprucht die Nutztierhaltung weltweit etwa 70 Prozent der gesamten Agrarflächen.

Das klingt vielleicht utopisch, lässt sich aber besser nachvollziehen, wenn man sich den Rohstoffeinsatz vor Augen führt, der notwendig ist, um ein Kilogramm Fleisch herzustellen. Laut Berechnungen des WWF verschlingt die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch rund 6,5 Kilogramm Getreide, 36 Kilogramm Raufutter (u.a. Grünfutter, Rüben, Silage, Heu, Stroh) und 15.500 Liter Wasser (Trinkwasser, Stallreinigung und Futterproduktion).

Auf Grundlage dieser Zahlen, müsste Fleisch eigentlich ein Luxusprodukt sein. Doch die weltweite Gier nach billigem Fleisch scheint unstillbar. Dieses Verlangen führt unweigerlich zur Massentierhaltung. 40.000 Hühner oder 2.000 Schweine unter einem Dach, sind da längst keine Ausnahme mehr. Mit einem Bauernhof haben diese Mastbetriebe jedoch kaum noch etwas gemein.

Die katastrophalen Bedingungen der Massentierhaltung bergen eo ipso die Gefahr von Krankheits- und Seuchenausbrüchen, die den gesamten Tierbestand des Betriebs bedrohen. Aus diesem Grund ist der Einsatz von Antibiotika fast schon obligatorisch. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden gesunden Tieren mittlerweile mehr Antibiotika verabreicht als kranken Menschen. Studien aus Niedersachen und Nordrhein-Westfalen stützen diese These. So setzen 82 Prozent der niedersächsischen Masthuhnbetriebe, 77 Prozent der Mastschweinbetriebe und alle Mastkalbbetriebe Antibiotika ein.

Dieser Medikamentenmissbrauch führt zur Bildung antibiotikaresistenter Bakterien. In einer von den Grünen im Dezember 2012 in Auftrag gegebenen Studie wurden in 16 Prozent der Schweinemettproben (50 Proben aus 10 dt. Städten) resistente Keime nachgewiesen. Die Ausbreitung solcher antibiotikaresistenter Keime stellt eine enorme Gefahr für die Gesundheit dar. Vermeintlich harmlose Infektionen könnten daher in naher Zukunft wieder lebensbedrohlich werden.

Die Auswirkungen der Fleischproduktion gehen weit über das Leid der einzelnen Tiere hinaus. Es handelt sich um eine globale Katastrophe, mit gravierende Folgen für die Umwelt sowie die Menschen. Und selbst wenn vielen das Leid der Tiere egal sein mag, die systematische Zerstörung von Regenwald, der Umwelt im Allgemeinen und die Schädigung der Gesundheit durch die Fleischindustrie, sollte es nicht sein!


* Ein Kooperationsprojekt von Heinrich-Böll-Stiftung, Bund für Umwelt- und Naturschutz und Le Monde diplomatique.

** Wie diverse Medien wie Spiegel-Online, Sueddeutsche.de, Welt.de und Tagesschau.de unisono auf einen Pro-Kopf-Verzehr von 60 Kilogramm Fleisch kommen, obwohl sie sich ebenfalls auf den Fleischatlas berufen, ist mir indes ein Rätsel. Bei mir ergeben 89 Kilogramm abzüglich der 20 Prozent, die im Abfall landen, nämlich rund 71 Kilogramm. Da schreibt wohl einer vom anderen ab.

Dienstag, 8. Januar 2013

Plasbergs lahmer Talk über Lebensmittel

Am Montag diskutierte Frank Plasberg mit seinen Gästen zum Thema: „Die Supermarkt-Lüge – Wie gut und fair kann günstig sein?“ Trotz der eigentlich viel zu kurz gegriffenen Versteifung auf Supermärkte, hätte es durchaus interessant werden können. Doch leider verließ die Diskussion nur selten das Fahrwasser der Banalität.

Das mag mitunter auch an der Auswahl der Gäste gelegen haben. Während die Vertreter der Industrie sowie des Handels in Person von Stefan Genth und Jürgen Abraham in die Sendung passten und ihre Sache durchaus zu verkaufen wussten, blieben die Verfechter des „guten“ Essens leider vollkommen blass. Bezeichnend, dass Hauswirtschaftsmeisterin Yvonne Willicks, Koch Vincent Kling und Kabarettist Bernd Stelter allesamt auf der Gehaltsliste der Öffentlich-Rechtlichen stehen. Das nennt man dann wohl selbstreferentiell.

Vincent Kling hatte zwar den einen oder anderen Lacher auf seiner Seite, versagte aber beim Geschmackstest von Bio- und Supermarktfleisch. Auch die Schilderung des Speiseplans (u.a. Grieß- und Haferbrei) seiner 92-jährigen Schwiegermutter, ließ dem Zuschauer nicht gerade das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Bernd Stelter dagegen legte besonderen Wert auf Wursttheken-Romantik. Dass die Qualität dieses Fleisches nicht besser ist als die des abgepackten Äquivalentes, bedarf dabei keiner weiteren Erläuterung. Der höhere Preis der Thekenprodukte rechtfertigt sich jedoch durch den höheren Personalaufwand, wie Jürgen Abraham einwarf. Was nun eigentlich Stelters Anliegen war, blieb ihm vermutlich selbst schleierhaft.

Derweil diskreditierte sich Yvonne Willicks permanent selbst. Ihre redundante Forderung nach mehr Produkt-Informationen auf Verpackungen wirkte geradewegs penetrant und veranlasste einen Zuschauer zu einem süffisanten Kommentar auf facebook. „Frau Willicks möchte am liebsten noch auf der Verpackung stehen haben, welche Hobbys der Bauer hat.“

Dass Louisiana-Flusskrebse nicht etwa aus dem Mississippi, sondern aus Binnenfischerei in China stammen, vermag heutzutage nicht wirklich zu verwundern. Ebenso finden Lachse und Forellen aus Aquakulturen in Norwegen bzw. Polen den Weg in die Supermarktregale. Das ist lediglich das Äquivalent zur Massentierhaltung von Hühnern, Kühen und Schweinen. Anders lässt sich die enorme Nachfrage aber wohl gar nicht mehr decken. Ob dies ethisch und ökologisch vertretbar ist, steht auf einem anderen Blatt.

Leider verpasste es die Talkrunde auf die wirklichen Verbrauchertäuschungen und Lügen der Industrie einzugehen. Natürlich bewegen sich diese in einem gesetzlichen Rahmen, aber das liegt selbstverständlich auch an der Lobbyarbeit der Lebensmittelindustrie. Wirklich katastrophal ist es doch, wenn ein Lebensmittel suggeriert etwas zu sein, was es de facto nicht ist.

Fruchtjoghurt beispielsweise, der mit den Abbildungen herrlicher Früchte auf den Deckeln lockt und mit gesundheitsfördernden Joghurtkulturen wirbt. Ein Blick auf die Inhaltsstoffe und die Nährwertangaben aber verrät, dass diese Joghurts zu einem Großteil aus Zucker bestehen und der Geschmack ausschließlich (natürlichen) Aromen zuzuschreiben ist. Das ist Verbrauchertäuschung!

In Fällen wie diesen wirkt der von Herrn Abraham ins Feld geführte „mündige Verbraucher“ geradewegs lächerlich. Selbstverständlich schmeckt der Joghurt bei den zugesetzten Aromen und all dem Zucker. Das ist aber auch kein Wunder. Jeder Chemie-Lehrer könnte Naturjoghurt mit Zucker und ein paar Tröpfchen Chemie in einen leckeren Joghurt verwandeln. Die Frage ist nur, ob wir das wirklich wollen.

Tragischerweise aber haben wir in diesem Fall z.B. nur die Wahl zwischen Kauf und Nicht-Kauf, die große Produktvielfalt ist nämlich nur eine trügerische Wahlfreiheit. Selbst höherpreisige Marken wie Landliebe oder Weihenstephan benutzen Aromen. In keinem einzigen Supermarkt fand ich bisher einen natürlichen Fruchtjoghurt ohne zugesetzte Aromastoffe. Ebenso werden vermeintlich hochwertige Produkte wie z.B. Bertolli-Pesto mit billigen Inhaltsstoffen gestreckt. Dass Kartoffelflocken in einem echten Pesto nichts verloren haben, dürfte nicht nur Italienern bekannt sein.

Selbst mit Bio-Produkten wird enorm viel Schindluder getrieben. Wie kann es sein, dass Bio-Honig laut Etikett aus EG- und nicht-EG-Ländern zusammengemixt wird? Einzig der wesentlich teurere echte dt. Imker-Honig ist qualitativ hochwertig und als regional vertriebenes Produkt ökologisch vertretbar (obwohl er kein Bio-Siegel trägt). Wie ist es zu rechtfertigen, dass Bio-Kartoffeln in Ägypten angebaut und dafür Unmengen kostbaren Wassers verschwendet werden, während in Deutschland gleichzeitig Ackerland brach liegt und sogar Kartoffeln vernichtet werden müssen? – Was hat das noch mit Ökologie zu tun?

Fettreduzierte Milchprodukte enthalten häufig einen höheren Zuckeranteil, um den Geschmack beizubehalten. Und das, obwohl der menschliche Organismus wesentlich besser Fett verarbeiten kann als Zucker. All so etwas kann man nur wissen, wenn man zufällig darüber gestolpert ist oder darauf hingewiesen wird. Die Industrie aber wünscht sich unmündige und unkritische Verbraucher.

Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass insbesondere für Kinder beworbene Lebensmittel, wie Kellogg’s Müsli, Milchschnitte oder Capri-Sonne viel zu große Mengen an Zucker und Kalorien enthalten. Auf diese Weise züchtet sich die Industrie schon die Kunden von morgen. Es ist schließlich auch kein Geheimnis, dass Zucker zu Heißhungerattacken und damit zu mehr Konsum führt. Darüber hinaus sind die zuckerhaltigen Produkte natürlich auch wesentlich teurer als beispielsweise Obst oder Gemüse.

Aber über all dies verlor die Talkrunde kein Wort. Warum hat man Herrn Abraham als Vertreter für Firmen wie Nestlé und Kraft nicht auf diese Verbrauchertäuschungen und Lügen der Industrie festgenagelt? Warum ließ man Herrn Genth nicht erklären, wieso Waren aus dem Ausland, die unter katastrophalen ökologischen Umständen hergestellt werden, den Weg ins Regal schaffen, während heimische Produzenten ihre Ware vernichten müssen?

Und auf die TV-Combo aus Koch, Hauswirtschafterin und Abspeck-Komiker hätte man getrost verzichten können. Sie trugen rein gar nichts zur Diskussion bei. An ihrer Stelle wären Lebensmitteltechniker, Verbraucherschützer, Vertreter von relevanten Verbänden wie z.B. Foodwatch oder Greenpeace und vor allem auch Politiker die wesentlich interessanteren Gäste gewesen.

Wieder einmal haben uns die Öffentlich-Rechtlichen eindrucksvoll vor Augen geführt, dass hohe Kosten nicht immer mit guter Qualität einhergehen. Die Banalität der gestrigen „Hart aber fair“-Sendung steht hierfür exemplarisch.
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