Am Montag diskutierte Frank Plasberg mit seinen Gästen zum
Thema: „Die Supermarkt-Lüge – Wie gut und fair kann günstig sein?“ Trotz der
eigentlich viel zu kurz gegriffenen Versteifung auf Supermärkte, hätte es durchaus
interessant werden können. Doch leider verließ die Diskussion nur selten das
Fahrwasser der Banalität.
Das mag mitunter auch an der Auswahl der Gäste gelegen
haben. Während die Vertreter der Industrie sowie des Handels in Person von Stefan
Genth und Jürgen Abraham in die Sendung passten und ihre Sache durchaus zu
verkaufen wussten, blieben die Verfechter des „guten“ Essens leider vollkommen
blass. Bezeichnend, dass Hauswirtschaftsmeisterin Yvonne Willicks, Koch Vincent
Kling und Kabarettist Bernd Stelter allesamt auf der Gehaltsliste der
Öffentlich-Rechtlichen stehen. Das nennt man dann wohl selbstreferentiell.
Vincent Kling hatte zwar den einen oder anderen Lacher auf
seiner Seite, versagte aber beim Geschmackstest von Bio- und Supermarktfleisch.
Auch die Schilderung des Speiseplans (u.a. Grieß- und Haferbrei) seiner
92-jährigen Schwiegermutter, ließ dem Zuschauer nicht gerade das Wasser im Mund
zusammenlaufen.
Bernd Stelter dagegen legte besonderen Wert auf
Wursttheken-Romantik. Dass die Qualität dieses Fleisches nicht besser ist als
die des abgepackten Äquivalentes, bedarf dabei keiner weiteren Erläuterung. Der
höhere Preis der Thekenprodukte rechtfertigt sich jedoch durch den höheren
Personalaufwand, wie Jürgen Abraham einwarf. Was nun eigentlich Stelters
Anliegen war, blieb ihm vermutlich selbst schleierhaft.
Derweil diskreditierte sich Yvonne Willicks permanent selbst.
Ihre redundante Forderung nach mehr Produkt-Informationen auf Verpackungen wirkte
geradewegs penetrant und veranlasste einen Zuschauer zu einem süffisanten
Kommentar auf facebook. „Frau Willicks möchte am liebsten noch auf der
Verpackung stehen haben, welche Hobbys der Bauer hat.“
Dass Louisiana-Flusskrebse nicht etwa aus dem Mississippi,
sondern aus Binnenfischerei in China stammen, vermag heutzutage nicht wirklich
zu verwundern. Ebenso finden Lachse und Forellen aus Aquakulturen in Norwegen
bzw. Polen den Weg in die Supermarktregale. Das ist lediglich das Äquivalent
zur Massentierhaltung von Hühnern, Kühen und Schweinen. Anders lässt sich die
enorme Nachfrage aber wohl gar nicht mehr decken. Ob dies ethisch und
ökologisch vertretbar ist, steht auf einem anderen Blatt.
Leider verpasste es die Talkrunde auf die wirklichen
Verbrauchertäuschungen und Lügen der
Industrie einzugehen. Natürlich bewegen sich diese in einem gesetzlichen
Rahmen, aber das liegt selbstverständlich auch an der Lobbyarbeit der
Lebensmittelindustrie. Wirklich katastrophal ist es doch, wenn ein Lebensmittel
suggeriert etwas zu sein, was es de facto nicht ist.
Fruchtjoghurt beispielsweise, der mit den Abbildungen
herrlicher Früchte auf den Deckeln lockt und mit gesundheitsfördernden
Joghurtkulturen wirbt. Ein Blick auf die Inhaltsstoffe und die Nährwertangaben
aber verrät, dass diese Joghurts zu einem Großteil aus Zucker bestehen und der
Geschmack ausschließlich (natürlichen) Aromen zuzuschreiben ist. Das ist Verbrauchertäuschung!
In Fällen wie diesen wirkt der von Herrn Abraham ins Feld
geführte „mündige Verbraucher“ geradewegs lächerlich. Selbstverständlich
schmeckt der Joghurt bei den zugesetzten Aromen und all dem Zucker. Das ist
aber auch kein Wunder. Jeder Chemie-Lehrer könnte Naturjoghurt mit Zucker und
ein paar Tröpfchen Chemie in einen leckeren Joghurt verwandeln. Die Frage ist
nur, ob wir das wirklich wollen.
Tragischerweise aber haben wir in diesem Fall z.B. nur die
Wahl zwischen Kauf und Nicht-Kauf, die große Produktvielfalt ist nämlich nur
eine trügerische Wahlfreiheit. Selbst höherpreisige Marken wie Landliebe oder
Weihenstephan benutzen Aromen. In keinem einzigen Supermarkt fand ich bisher einen
natürlichen Fruchtjoghurt ohne zugesetzte Aromastoffe. Ebenso werden
vermeintlich hochwertige Produkte wie z.B. Bertolli-Pesto mit billigen
Inhaltsstoffen gestreckt. Dass Kartoffelflocken in einem echten Pesto nichts
verloren haben, dürfte nicht nur Italienern bekannt sein.
Selbst mit Bio-Produkten wird enorm viel Schindluder
getrieben. Wie kann es sein, dass Bio-Honig laut Etikett aus EG- und
nicht-EG-Ländern zusammengemixt wird? Einzig der wesentlich teurere echte dt. Imker-Honig
ist qualitativ hochwertig und als regional vertriebenes Produkt ökologisch
vertretbar (obwohl er kein Bio-Siegel trägt). Wie ist es zu rechtfertigen, dass
Bio-Kartoffeln in Ägypten angebaut und dafür Unmengen kostbaren Wassers
verschwendet werden, während in Deutschland gleichzeitig Ackerland brach liegt
und sogar Kartoffeln vernichtet werden müssen? – Was hat das noch mit Ökologie
zu tun?
Fettreduzierte Milchprodukte enthalten häufig einen höheren
Zuckeranteil, um den Geschmack beizubehalten. Und das, obwohl der menschliche
Organismus wesentlich besser Fett verarbeiten kann als Zucker. All so etwas
kann man nur wissen, wenn man zufällig darüber gestolpert ist oder darauf
hingewiesen wird. Die Industrie aber wünscht sich unmündige und unkritische
Verbraucher.
Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass insbesondere für
Kinder beworbene Lebensmittel, wie Kellogg’s Müsli, Milchschnitte oder
Capri-Sonne viel zu große Mengen an Zucker und Kalorien enthalten. Auf diese
Weise züchtet sich die Industrie schon die Kunden von morgen. Es ist
schließlich auch kein Geheimnis, dass Zucker zu Heißhungerattacken und damit zu
mehr Konsum führt. Darüber hinaus sind die zuckerhaltigen Produkte natürlich
auch wesentlich teurer als beispielsweise Obst oder Gemüse.
Aber über all dies verlor die Talkrunde kein Wort. Warum hat
man Herrn Abraham als Vertreter für Firmen wie Nestlé und Kraft nicht auf diese
Verbrauchertäuschungen und Lügen der Industrie festgenagelt? Warum ließ man
Herrn Genth nicht erklären, wieso Waren aus dem Ausland, die unter
katastrophalen ökologischen Umständen hergestellt werden, den Weg ins Regal
schaffen, während heimische Produzenten ihre Ware vernichten müssen?
Und auf die TV-Combo aus Koch, Hauswirtschafterin und
Abspeck-Komiker hätte man getrost verzichten können. Sie trugen rein gar nichts
zur Diskussion bei. An ihrer Stelle wären Lebensmitteltechniker,
Verbraucherschützer, Vertreter von relevanten Verbänden wie z.B. Foodwatch oder
Greenpeace und vor allem auch Politiker die wesentlich interessanteren Gäste
gewesen.
Wieder einmal haben uns die Öffentlich-Rechtlichen
eindrucksvoll vor Augen geführt, dass hohe Kosten nicht immer mit guter
Qualität einhergehen. Die Banalität der gestrigen „Hart aber fair“-Sendung steht
hierfür exemplarisch.
Ich habe die Sendung gestern leider nur zum Teil gesehen, aber diese Ausschnitte gaben genau das wieder, was Du schilderst.
AntwortenLöschenAuch die anderen Punkte sind genau auf den Punkt gebracht.
Ich habe auch das Gefühl, dass der Staat und die Industrie sich einig sind, dass dumme Bürger leichter zu handhaben sind.
Wenn der Kühlschrank voll ist, der Fernseher läuft und man noch einmal im Jahr in Urlaub fahren kann, sind die meisten auch zufrieden.
Im alten Rom nannte man das "Panem et circenses" - Brot und Spiele.
Mach weiter so!
Beste Grüße
Thomas
Du sagst es: Brot und Spiele! Absurderweise werden die Öffentlich-Rechtlichen jedoch als wichtige Stütze der Demokratie deklariert, dabei könnten sie kaum näher mit der Politik verbandelt sein. Und das heißt dann soviel wie: Die herrschenden Gedanken sind immer die Gedanken der Herrschenden.
LöschenAbsolut! Was einem da so alles verkauft wird, ist ein Witz. Natürliches Aroma darf so heißen, weil es aus natürlichen Rohstoffen gewonnen wird. Tatsächlich wird das Aroma dann u.a. aus Zedernholz und Schimmelpilzen gewonnen. Was daran natürlich sein soll, erschließt sich zumindest mir nicht.
AntwortenLöschenUnd unsere Politik duldet es auch noch, dass dann z.B. Maggi und Uncle Ben's ihre Produkte als frei von "künstlichen" Zusatzstoffen und Geschmacksverstärkern bewerben dürfen, obwohl sie lt. Zutatenliste Aromen und Hefeextrakt (Geschmacksverstärker) enthalten.