ProSiebens
Allzweckwaffe Stefan Raab wagte sich gestern mit seiner Sendung „Absolute
Mehrheit“ nun auch auf politisches Terrain. Doch Polit-Talks gibt es bekanntlich
schon bei den öffentlich-rechtlichen Sendern zur Genüge. Und um Raabs
Stammpublikum für dieses Format zu begeistern, bedarf es dann doch gravierender
Modifizierungen. Ein Raab allein reicht da nicht.
So versammelte Raab
also vier mehr oder minder prominente Politiker und eine Jungunternehmerin auf
seinem Sofa, die er dann breitbeinig und in gewohnter TV-Total-Manier zu drei
Themengebieten interviewte. Währenddessen konnte das Publikum per Anruf oder
SMS kostenpflichtig für die Gäste abstimmen. Sofern es einem Gast gelingt nach
drei Runden mehr als 50 Prozent der Stimmen hinter sich zu bringen, winken
100.000 Euro Preisgeld.
Ein irgendwie
äußerst skurriles Format, das bereits im Vorfeld auf viel Kritik stieß. Votings
sind den Zuschauern des Privatfernsehens zwar alles andere als fremd (hier hat
sich die Unterhaltungsindustrie vor langer Zeit eines politischen Instruments
bedient), doch geht es dabei üblicherweise darum, die Gewinner diverser
Castingshows zu küren oder C-Prominenz zum Kakerlaken-Wettessen antreten zu
lassen. Dass politische Akteure allerdings in einem TV-Studio um ein Preisgeld
und die Gunst des Publikums konkurrieren, das hat schon etwas von einem
Gladiatorenkampf im Kolosseum, mit Raab als Imperator.
Insbesondere
Talkgast Jan van Aken (Die Linke) schien tatsächlich – einem Gladiator gleich -
um sein (politisches) Überleben „kämpfen“ zu wollen. Immer wieder wandte er
sich dem Publikum direkt zu, als bettelte er geradewegs um Anerkennung. Gerade
bei ihm wäre es spannend gewesen, zu erfahren, was er mit dem Preisgeld
angestellt hätte. Es scheint jedenfalls ähnlich wie bei den Bochumer
Stadtwerken keine Spendenvereinbarung zu existieren.
Leider blieb die
spannendste Frage des Abends (Verwendungszweck des Preisgelds) jedoch
unbeantwortet, da niemand die „absolute Mehrheit“ hinter sich bringen konnte.
Ansonsten langweilte der Talk mit den üblichen politischen Phrasen („Wenn wir
dieses Land sozial gestalten wollen, brauchen wir ein Bündnis der Starken und der
Schwachen.“ – Thomas Oppermann (SPD)) und aufreizend polemischen
Einspielfilmchen. Michael Fuchs (CDU) analysierte dann noch messerscharf die
Sonnenscheindauer Andalusiens und Griechenlands. Dort scheint die Sonne nämlich (wer hätte das gedacht?) öfter/länger als hierzulande und daher wäre die Solarstromausbeute dort auch viel höher. Logisch,
oder?!
Eine wirklich
interessante Diskussion hätte aber ohnehin nie wirklich aufkommen können, weil
Raab alle fünf bis acht Minuten einfach unterbrach, um mit Peter Limbourg die
spannenden Zwischenstände im Zuschauer-Voting zu verkünden. Letztgenannter
konkurrierte zwar nicht um das Preisgeld, wollte sich aber wohl unbedingt für
die goldene Kniescheibe bewerben. „Sie können auch Politik“, schmeichelte er
Raab, als gehörte diesem mittlerweile die ganze Sendergruppe.
Unter dem
Quotenaspekt (11,6 Prozent Marktanteil) mag der Auftakt ja durchaus geglückt
sein, inhaltlich war es aber lediglich ein weiterer Schritt in der
Entertainisierung der Politik. Es ziemt sich einfach nicht für einen
Volksvertreter, in Raabs TV-Arena um ein Preisgeld zu kämpfen. Andererseits
wirkt Raab, der sonst mit Sendungen wie „TV Total Turmspringen, Pokerstars,
Wok-WM, Quizboxen, Autoball oder BallBall“ aufwartet, als Polit-Talker wenig
authentisch. Kurzum, die Sendung „Absolute Mehrheit“ ist sicherlich kein Gewinn für
die TV-Landschaft, sondern absolut entbehrlich.