Montag, 16. Februar 2015

Künstliche Empörung: Warum die Apple Watch trotzdem nichts mit Krebs zu tun hat

Kürzlich bin über einen Artikel zur Apple Watch gestolpert. Schon beim Lesen des Titels - "Apple Watch und Krebs - Well, fuck you Mr. Cook" - rollte ich mit den Augen. Was dann aber folgte, war eine geschmacklose Hasstirade, deren einzige Grundlage eine möglicherweise sogar intendierte Fehlinterpretation eines Zitats von Apple CEO Tim Cook war. Emotional, polemisch und manipulativ, ja regelrecht geschmacklos.

Die erste Frage, die mir durch den Kopf ging war natürlich: Was hat die Apple Watch mit Krebs zu tun? Die Antwort ist simpel: Nichts! Ja, absolut gar nichts! Aufhänger des ganzen Artikels war im Grunde dieses Zitat von Tim Cook:

"Because a lot of doctors believe that sitting is the new cancer, right?"

Auch wenn das Zitat alleine schon recht eindeutig ist, sei auf den Kontext hingewiesen. Laut Cook erinnere die Apple Watch ihren Träger daran, sich nach einer längeren Zeit (so ca. 45-60 Minuten, wenn ich nicht irre) des Sitzens mal wieder etwas zu bewegen. Das ist auch schon alles.

Für den Autor des Artikels allerdings Grund genug, um Cook die Instrumentalisierung von Krebs zu Marketingzwecken vorzuwerfen. Es wäre geschmacklos, so mit den Ängsten vor einer der größten Geißel der Menschheit zu spielen und so zu tun, als könne der "neue Krebs" mithilfe der Apple Watch bekämpft werden.

Es folgt ein Absatz, in dem der Autor die furchtbaren Krebsleiden in seiner Familie thematisiert und gipfelt in der Aufforderung an Cook, doch lieber einige der über 100 Milliarden US-Dollar, die der Konzern sein Eigen nennt, in die Krebsforschung zu stecken, um den aktuellen Krebs zu besiegen, anstatt ihn für Marketingzwecke zu missbrauchen. Dazwischen taucht dann noch ein Foto auf, das den schwer von Krebs gezeichneten Steve Jobs zeigt. Es endet mit dem ausgestreckten Mittelfinger und einem "Fuck you" für Tim Cook.

Was mich daran zur Weißglut bringt? Vor allem die Art und Weise, in der der Sinn eines Zitates völlig verdreht und Leser (bewusst) emotionalisiert und manipuliert werden. Und zwar mit Erfolg, wie zahlreiche Leserkommentare beweisen. Es sei geschmacklos, wie Cook den Krebs benutze, um die Apple Watch anzupreisen, heißt es da zum Beispiel. Manch einer schreibt gar, Cook behaupte, die Apple Watch wäre ein Heilmittel gegen den Krebs. Ein anderer Leser fordert dazu auf, es ihm gleich zu tun und Selfies mit ausgestrecktem Mittelfinger unter dem Hashtag FU_CancerTimCook zu twittern. Und wieder ein anderer empört sich darüber, dass Cook die Schulmedizin als unfähig hinstelle und Firmen wie Braun und Co., die tatsächlich Gerätschaften zur Bekämpfung des Krebs entwickelten, herabwürdige.

Was für eine Anklage gegen das Bildungssystem?! Es geht doch überhaupt nicht um Krebs! Wie blöd oder verblendet muss man sein, um das zu übersehen? Und davon ab, wären im Zusammenhang mit der Krebsforschung wohl eher Pharmakonzerne zu nennen als ein Hersteller von Elektrogeräten (oder meinte er vielleicht B. Braun Melsungen?).

Betrachtet man Cooks Aussage mal ganz nüchtern, so ist selbst so aus dem Zusammenhang gerissen, nichts Verwerfliches daran zu entdecken. Es ist nichts anderes als eine Analogie, die darüber hinaus auch nicht von Cook selbst stammt, sondern so (oder in leicht abgewandelter Form) schon lange existiert. Hintergrund ist die Entwicklung bei den häufigsten Todesursachen in westlichen Zivilisationen. Mittlerweile sterben nämlich weit mehr Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen (2013 waren es in D. 354.493 Todesfälle) als an Krebs (223.842 Todesfälle). Deshalb nennt man Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch den "neuen Krebs". Schlechte Ernährung und vor allem Bewegungsmangel - oder ein ungesunder Lebensstil im Allgemeinen - gelten als die Hauptursachen dieser Entwicklung.

Die Apple Watch als Fitness Gadget soll ihre User darin unterstützen, sich mehr und öfter zu bewegen. Was soll daran verwerflich sein? Cook hat ja nicht behauptet, dass man sich die Uhr umschnallt und fortan von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verschont bleibt. Solche "Versprechungen" machen vielleicht Verkäufer von Magnetarmbändern und Heilsteinen. Die Apple Watch aber erinnert den Träger nur daran, etwas für seine Gesundheit zu tun. Es ist im Grunde aber auch völlig egal, ob man sich durch ein Fitness Band, eine App, eine Apple Watch oder einen gewöhnlichen Schrittzähler zu mehr Bewegung motivieren lässt. Whatever works - und wenn man nichts dergleichen braucht, auch gut.

Natürlich will jeder Hersteller seine Produkte auch verkaufen. Aber Marketing hin oder her, ein derartiges Gadget kann mittelbar einen durchaus positiven Effekt auf die Gesundheit des Users haben, ganz einfach dadurch, dass es ihn motiviert, "gesünder" zu leben. Tabak- und Lebensmittelindustrie dagegen preisen Produkte an, die den Konsumenten sogar Schaden zufügen. Welches Marketing ist also moralisch fragwürdig?

Das eigentlich Schlimme ist aber, dass nicht etwa Cook den Krebs für Marketingzwecke missbraucht, sondern Leute wie dieser Autor. Sie emotionalisieren, polemisieren und werfen Cook eine makabere Werbemasche vor. Dieser Vorwurf entbehrt jedoch schlicht jeder Grundlage. Und mit der Krankheit Krebs hat das alles rein überhaupt nichts zu tun!

Klar, dass auch in diesem Artikel der Vorwurf nicht fehlen durfte, Apple beute chinesische Arbeiter aus. Ironischerweise räumt der Autor in Kommentaren jedoch selbst ein, dass diese Praxis in der Branche gang und gäbe und die einseitige Kritik an Apple somit völlig überzogen wäre. Das ist ziemlich entlarvend und verrät die Bigotterie und Heuchelei, die diesem Artikel zugrunde liegen. Dem Autor ging es lediglich darum, gängige Ressentiments gegen Apple zu bedienen, deshalb griff er auch diese abgedroschenen Vorwürfe auf, denen er eigentlich aber selbst keine Bedeutung beimisst. Seine persönlichen Erfahrungen mit Krebsleiden haben weder etwas mit Apple, Cooks Statement oder der Apple Watch zu tun. Sie dienen lediglich dazu, den Leser zu emotionalisieren und bei ihm Empörung zu wecken. Vermutlich alles zu dem Zweck, Aufmerksamkeit zu erhaschen, Klicks und damit Geld zu generieren.

Alles das, was dieser Autor dem Apple CEO in seinem Artikel vorwirft, nämlich Arroganz, Verlogenheit, perfides Marketing, Emotionalisierung und Manipulation potentieller Käufer, all dies legt er selbst an den Tag. Objektiv betrachtet ist an Cooks Aussage nichts inhaltlich Falsches oder Verwerfliches zu entdecken. Makaber und perfide ist es aber, in solch einer Weise zu polemisieren, zu desinformieren, zu emotionalisieren und zu manipulieren. Das ist regelrecht hetzerisch, erst recht, wenn es sich dabei um einen persönlichen Angriff (frei von jeder Sachlichkeit) auf ein Individuum (ganz gleich ob dieses nun das erfolgreichste Unternehmen der Welt lenkt oder ein Nobody ist) handelt. Und das alles nur für etwas Aufmerksamkeit.

Das habe ich (als einer von vielen) dem Autor in Kommentaren auch mitgeteilt. Dabei stellte sich heraus, dass er einen sehr kreativen Umgang mit der Wahrheit pflegt und frei von jeglicher Kritikfähigkeit ist. Schlussendlich hat er mich sogar geblockt, doch nicht etwa wegen meiner geäußerten Kritik, sondern wegen dieses Blogs (hat mich offenbar medial gestalkt, um herauszufinden, ob ich für Apple arbeite). Fand er nicht so toll. Inwiefern mich das allerdings disqualifiziert, Kritik äußern zu dürfen, will mir nicht so recht einleuchten, zumal er Apple in seinem Artikel ja auch vorwirft, kritische, unbequeme Journalisten auszusperren...

Aber sei es drum. Ich will das ja nicht als persönliche Fehde verstanden wissen (deshalb spielt der Name des Autors hier auch keine Rolle). Vielmehr geht es mir darum, ein Gegengewicht zu populären Mythen zu bilden und zum Nachdenken anzuregen. Man sollte Botschaften stets mit den Mitteln des Verstandes auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. In diesem konkreten Fall wird deutlich, welch schmutziger Methoden sich der Autor bedient und welche Motive er dabei hat. Das Fehlen von Argumenten soll hier durch Emotionalisierung (Wie kann Cook es wagen, Krebs bzw. die Todesängste von Menschen für Marketingzwecke zu missbrauchen?) kaschiert werden. Und das funktioniert leider - ebenso wie z.B. in politischen Auseinandersetzungen - bei vielen Rezipienten.

Als ich die Kommentare so las und etliche, ja ich will fast sagen hasserfüllte Statements vorfand, wurde mir wieder einmal bewusst, warum sich überall auf der Welt Menschen die Köpfe einschlagen. Ich meine, da hetzen Leute gegen eine Person und zwar aufgrund einer Aussage, die die Hetzer missverstanden haben oder vielleicht auch nur missverstehen wollten. Natürlich bleibt es in der Regel bei verbalen Entgleisungen, aber im Zuge dieser gibt es immer wieder welche, die sich mitreißen lassen und deren "Empörung" (meist wissen sie um den Stein des Anstoßes nur vom Hörensagen) dann in Gewalt und Vandalismus umschlägt.

Auf Dummheit und perfide Meinungsmacher reagiere ich einfach allergisch und sie bringen mich echt zur Weißglut (nur bildlich gesprochen, nicht emotional). Dagegen hilft eigentlich nur eines: Verstand einschalten und diese Wahrheitsverdreher argumentativ auseinandernehmen!

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