Die Tage werden leider schon wieder kürzer und die Abende kühler, was sich für mich vor allem darin widerspiegelt, dass es mich in den Abendstunden öfter vor den Fernseher verschlägt. Und was ich da immer sehen muss sehe, ist selten gut und wird wohl auch nicht mehr besser.
Am Dienstag talkte Sandra Maischberger mit ihren Gästen zum leidigen Thema Asyl. Allein der Titel der Sendung - "Wut auf Asylbewerber: Sind wir Ausländerfeindlich?" - ist so typisch für die Bigotterie der Öffentlich-Rechtlichen. Ich kann mir da irgendwie nicht helfen, einerseits Platz mir schon der Kragen, wenn ich Michel Friedman mit erhobenem Zeigefinger predigen höre, was für eine Schande es doch ist, wie wir Deutschen Flüchtlinge bzw. Asylbewerber behandeln. Absolut menschenunwürdig nämlich, so Herr Friedman. Andererseits bleibe ich dann doch bei der Sendung hängen, nur um mich noch mehr aufzuregen...
Als nächstes schilderte dann eine ARD-Journalistin, die zu Reportagezwecken vier Wochen in einem Asylbewerberheim lebte, wie furchtbar es in solchen Unterkünften ist. Schimmel in den Nasszellen, keine Privatsphäre, keine Rückzugsmöglichkeiten, Wände so dünn wie Papier. Sie selbst stand eigenen Angaben zufolge kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Ihr Fazit: die Umstände seien absolut menschenunwürdig und die Politik müsse handeln.
Spätestens jetzt war ich auf 180! Dass eine Frau aus gutbürgerlichen Verhältnissen nach vier Wochen in einem Asylbewerberheim an ihre psychischen Grenzen stößt, soll also ein Gradmesser für die widrigen Umstände dort sein? Das nenn ich Boulevard-Journalismus, reißerisch ohne Ende! Das Prinzesschen scheint nicht die geringste Ahnung zu haben, wie manche Menschen in Deutschland leben.
Überall, wo Wohnungsknappheit herrscht, leben Menschen unter widrigen Bedingungen. Doch im Gegensatz zu den Asylbewerbern, müssen andere für ähnliche Umstände auch noch Miete zahlen. Und das nicht zu knapp. Studenten hausen zu Semesterbeginn regelmäßig auf Campingplätzen oder in regelrechten Verschlägen. Haben sie dann endlich eine Unterkunft gefunden, zahlen sie in manchen Städten für ein 12 qm kleines Zimmer um die 300 Euro oder 500 Euro für ein 30 qm großes Apartment.
Vollerwerbstätige leben z.T. in Wohnungen mit feuchten Wänden, deren Badezimmer weder über Fenster, noch aktive Lüftungen verfügen und überweisen für solche Wohnungen auch noch um die 900 Euro monatlich. Der Schimmel im Bad ist da schon obligatorisch. Es ist nun mal nicht einfach, in Deutschland bezahlbaren und qualitativ vernünftigen Wohnraum zu finden. In Ballungszentren stehen Menschen zur Wohnungsbesichtigung Schlange, müssen weitreichende Selbstauskünfte und gar Führungszeugnisse vorlegen.
Jeder, der schon mal in Jugendherbergen oder billigen Hotels abgestiegen ist, wird vermutlich mit dreckigen Böden und Bettlaken, verschimmelten Bädern, verstopften Toiletten und Abflüssen und sogar Ungeziefer Bekanntschaft gemacht haben. Und selbst da muss man für die Übernachtung noch zahlen!
Wie weltfremd muss man also sein, um die Zustände in vorübergehenden Unterkünften für Asylbewerber anzuprangern? Das ist in meinen Augen ein Schlag ins Gesicht all derer, die in ähnlich schlechten Verhältnissen in diesem Land leben müssen. Wie wollte man es gegenüber diesen Leuten rechtfertigen, wenn es Asylbewerber bei uns besser hätten, als Teile der eigenen Bevölkerung? Deutschland mag ja ein reiches Land sein, aber das heißt noch lange nicht, dass es hier allen gut geht. Das ist sicherlich ein Verteilungsproblem, aber es liegt zu viel im Argen, als dass wir für Asylanten auch noch den roten Teppich ausrollen könnten.
Davon abgesehen sollte man auch nicht vergessen, aus welchen Verhältnissen die Asylbewerber überwiegend kommen. Entweder haben sie ihr Land aufgrund von Verfolgung verlassen oder sie sind in der Hoffnung auf einen höheren Lebensstandard hierher gekommen. So oder so sind sie völlig mittellos und demzufolge wohl für jedes Dach über dem Kopf dankbar. Dazu gibt es noch Strom, fließend Wasser und sogar bares Geld auf die Hand. Sollte das wirklich zu wenig sein? Ist ein Feigenblatt etwa kein Kleid für einen Nackten?
Tragischerweise mache ich mich mit solchen Aussage nur angreifbar, so dass gerade so Leute wie Friedman mich gleich in eine gewisse Ecke drängen wollen. Friedman ging sogar so weit, 20 Prozent der Deutschen Ausländerfeindlichkeit zu unterstellen. Ist es nicht immer wieder herrlich, wie ausgerechnet solche Leute wie Friedman oder Hoeneß, sich zu moralischen Instanzen aufschwingen?
Der Steuerhinterzieher Hoeneß prangerte öffentlich Steuersünder an und Michel Friedman aka Paolo Pinkel, gegen den 2003 ukrainische Zwangsprostituierte aussagten, er habe mehrfach mit ihnen Sex gehabt und Kokain konsumiert, maßt sich an, anderen die Moral abzusprechen und ihnen Ausländerfeindlichkeit zu unterstellen. Leute, die öffentlich gegen Menschengruppen hetzen, obwohl sie dieser Gruppe selbst angehören, gab/gibt es zu Hauf, aber muss sich der Fernsehzuschauer heute wirklich von solchen bigotten Leuten unmoralisches und menschenverachtendes Denken und Handeln vorwerfen lassen?
Dass ein Friedman in seinem Lebensumfeld die Folgen der EU-Osterweiterung oder gar von steigenden Asylbewerberzahlen überhaupt nicht spürt, das glaube ich ihm gerne. Wenn der diesen Menschen begegnet, dann doch nur im Fernsehen. So einer kann leicht behaupten, dass 100.000 Asylbewerber jährlich kein Problem darstellten. Ebenso wenig, wie die 176.000 Armutsflüchtlinge aus Bulgarien und Rumänien, die allein letztes Jahr kamen. Wer da den sozialen Frieden in Gefahr wähnt, setzt sich doch gleich dem Verdacht aus, rechtsradikal zu sein.
Ich finde es äußerst bedenklich, dass man sich in diesem Land offenbar nicht mehr kritisch mit dem Thema Zuwanderung auseinandersetzen kann, ohne dass einem gleich Xenophobie und Rechtsradikalismus unterstellt wird. Eine gehaltvolle und zielführende (politische) Diskussion kann unter solchen Umständen gar nicht erst entstehen. Es wird gar nicht versucht, argumentativ dagegen zu halten. Durch die Unterstellung rechten Gedankenguts wird der Gegner sofort diskreditiert und unmöglich gemacht. Diese politische Kultur wird von den Öffentlich-Rechtlichen durch die Art ihrer Polit-Talks auch noch kultiviert und perpetuiert.
Da sitzt nun also der ein oder andere in seiner völlig überteuerten, baufälligen Wohnung mit den dünnen, feuchten Wänden, während er jedes Geräusch seiner Nachbarn hört, vor dem Fernseher und muss sich von gut situierten Leuten anhören, dass er ausländerfeindlich und für die unmenschlichen Lebensumstände von Asylanten verantwortlich ist. Das Ganze natürlich auch noch finanziert von seinen Zwangsgebühren. Das ist schon eine Form des Masochismus, wenn man das auch noch genießt.
Eines haben Maischberger und die ARD an diesem Abend mit ihrem emotionalem Trash-Talk aber wieder erfolgreich geschafft: Von Dingen abzulenken, die wirklich wichtig sind...
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