Gemeinhin sollte man annehmen können, dass die
Öffentlich-Rechtlichen ihrem Auftrag nachkommen, uns Bürger korrekt, unabhängig
und qualitativ hochwertig zu informieren. Der Zuschauer kann unzählige
Informationen von Reportagen nicht selbst nachprüfen und muss sich somit wohl
oder übel auf die Methoden des investigativen Journalismus verlassen.
Nun hat die ARD ihre Glaubwürdigkeit mit dem gestrigen
Markencheck jedoch stark unterminiert. Kürzlich hatte sich bereits der Konzern
TUI über eine nicht repräsentative und einseitige Darstellung beschwert. Sollte
der Vorwurf stimmen, so wäre das ein schwerer Schlag für die Kredibilität des
Formats. Dass TUIs Protest womöglich nicht ganz unbegründet ist, lässt der
neuste ARD-Markencheck vermuten.
Zweifelhafte Methoden und schwachsinnige Tests
Im Test diesmal: Apple. Ein absolutes Schwergewicht. Im
vergangenen Jahr war Apple gemessen am Börsenwert phasenweise gar das
wertvollste Unternehmen der Welt. Doch die ARD hat sich nicht aus diesem Grunde
verhoben, sondern, weil viele technikinteressierte Menschen über ein ziemlich
gutes Faktenwissen zu Apple verfügen und somit ein anspruchsvolles Publikum
darstellen.
Ein solches Publikum lässt sich nicht so leicht
täuschen. Oder sollen wir wirklich annehmen, dass der Erstkontakt eines
einzelner Rentners mit dem iPad repräsentative Rückschlüsse auf die Usability
des Geräts liefert? Um so etwas zu untersuchen gibt es einen ganzen
Berufszweig, der mit ausgeklügelten Tests und repräsentativ ausgewählten
Gruppen von Probanden arbeitet. Und um Vergleiche ziehen zu können, hätten
schließlich auch Konkurrenzprodukte getestet werden müssen.
Dass die Marke Apple bei vielen Kunden oder nennen wir sie
Fanboys tatsächlich Glücksgefühle auslöst und Hirnareale stimuliert, die
eigentlich für menschliche Kontakte reserviert sind, ist nicht wirklich neu. Es
überrascht auch nicht, schließlich gründet Apples Erfolg im Wesentlichen auf
dem guten Gefühl, das mit jedem Gerät verkauft wird.
Was aber soll uns der Biertest verraten? Da werfen die
Redakteure ein drei Jahre altes iPhone in ein Bierglas, um dann erstaunt
festzustellen, dass auch nach dem Trocknen kein Telefonieren mehr möglich ist.
Danke, auf diesen Test habe ich gewartet!
Ein Smartphone ist mehr als ein Telefon!
Auf zum nächsten Test. Und da wird doch ausgerechnet die
Stiftung Warentest zitiert. Die können ja vielleicht Waschmaschinen bewerten,
aber von Smartphones haben sie dort ganz offensichtlich keine Ahnung. Beweis
gefällig? – Die Stiftung Warentest kürte das Motorola Razr Maxx vor Samsung S3
und iPhone 5 zum Testsieger. Grund, die Telefonfunktion sei sehr überzeugend.
Das ist ja vogelwild! Das Razr Maxx verfügt über eine
wesentlich schlechtere Displayauflösung als das iPhone (256 ppi zu 326 ppi), ist
gut 20 Prozent schwerer und läuft noch mit der uralt Android-Version
Gingerbread (2.3.6; aktuell wäre 4.2.x). Aber die Telefonfunktion ist
selbstverständlich das wichtigste Kriterium bei einem Smartphone...
Und dieses Niveau wurde nun beibehalten. Wie viel ist ein
iPhone eigentlich wert? Das fragte die ARD zunächst Passanten auf der Straße
und schließlich einen Experten. Auf 152 Euro Materialkosten wurde schließlich
der Wert des iPhones beziffert. Laut unabhängigen Schätzungen
selbstverständlich. Aber haben wir da nicht Wichtiges vergessen?
Jeder BWLer lernt früh, dass zu einer vernünftigen
Preiskalkulation weit mehr gehört als die Materialkosten. Welche Summen
verschlingen denn Forschung und Entwicklung, Löhne, Vertrieb und Marketing? Ja selbst
die Gehaltskosten für die Buchhaltungsabteilung spielen bei der Preisbildung eine Rolle.
Wenn man schon mit Zahlen wie dem Materialwert um sich wirft, sollte man sie
zumindest in den richtigen Kontext betten. Den Materialwert aber einfach kommentarlos dem Verkaufspreis
gegenüber zu stellen, ist absolut reißerisch.
Selbstverständlich macht Apple enormen Profit mit jedem
Gerät. Apples Mitarbeiter generieren pro Kopf deutlich höhere Gewinne als die der
Konkurrenz. Das nennt sich Effizienz und dafür lieben die Anleger Apple.
Übrigens ist es ja auch durchaus zweifelhaft, ob ein im Auto festinstalliertes
Navi tatsächlich mehrere tausend Euro „wert“ ist, wenn mobile Navis und
Smartphones ähnliche Funktionen oder gar mehr bieten. Letztendlich entscheidet
der Markt über den Preis.
Apples Lohndumping
Zu guter Letzt wagte die ARD einen Blick hinter die
Kulissen. Wie sind die Arbeitsbedingungen beim Apple-Zulieferer Foxconn in
China? Es ist ja nun hinlänglich bekannt, dass die Bedingungen bei dem
taiwanesischen Unternehmen naturgemäß katastrophal sind. Es wurden gar Menschen
vor die Kamera gezogen, die dann klagten, Apple zahle zu wenig.
Das glaube ich gerne. Das ist die Krux unserer
globalisierten Finanzwelt. Paradoxerweise zeigten sich Analysten und Anleger zuletzt sogar
immer wieder enttäuscht über Apples neue Rekordzahlen. Mit gesundem
Menschenverstand ist das nicht mehr nachzuvollziehen. Aber vermag es zu
überraschen, dass ein so erfolgreicher Konzern nach den perversen Spielregeln des
Marktes spielt?
Die ARD verschwieg übrigens, dass Foxconn weit mehr ist als
Apples Zulieferer. Foxconn ist ein gigantischer Hersteller von Computer- und
Elektronikkomponenten. Selbstverständlich lassen auch Apples Konkurrenten
Samsung, Microsoft, Nokia, Amazon, Acer, Intel, Dell, Nintendo und Co bei Foxconn
fertigen. Diese Info gehört zwingend zu einer ausgewogenen Berichterstattung!
Und auch wenn die Arbeitsbedingungen bei Foxconn katastrophal
sind, die Umstände, unter denen bspw. OSRAM giftige Energiesparlampen oder kik
Jeans in China produzieren lassen, sind weitaus schlimmer, da akut gesundheitsgefährdend,
wenn nicht gar lebensbedrohlich.
Auch die Tatsache, dass Apple die Produktion der iMacs teilweise zurück in die USA verlegt hat, fand in dem Bericht keinerlei Erwähnung. Ich
werfe der ARD in diesem Falle überhaupt keine Stimmungsmache vor – schließlich
kamen auch genügend Apple-Fanboys zu Wort – es ist die schlampige,
undifferenzierte und unvollständige Recherche bzw. Ergebnisdarstellung dieses
Markenchecks, die mich zur Weißglut bringt!
Nun kann ich mir bei diesem Thema ein eigenes Bild machen,
weil ich über viele Informationen verfüge und so die Unzulänglichkeiten des
ARD-Markenchecks erkenne. Aber was ist bei anderen Themengebieten, von denen
ich kaum oder gar keine Kenntnisse habe? Kann ich dabei auf eine sorgfältige, ausgewogene und qualitativ
hochwertige Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen vertrauen? Nach diesen
Erfahrungen wohl kaum.
In diesem Sinne frage ich mich, warum ich nicht gleich
Galileo schaue. Oder besser, ich lasse die Flimmerkiste einfach ganz aus. Mehr
als fernsehspezifisches Wissen werde ich kaum verpassen.
Ein sehr guter Artikel! Zu den die Intelligenz der Zuschauer beleidigenden Checks der ARD hat Fernsehkritik-TV letzte Woche auch was gebracht ;)
AntwortenLöschenViele Grüße
bela devojka
Zunächst einmal danke für das Lob. Die Website war mir bisher völlig unbekannt. Aber ich werde mir das bei Gelegenheit mal näher ansehen. Wirkt jedenfalls schon mal interessant.
LöschenEs ist ja schon traurig genug, was heutzutage so über den Bildschirm geht, aber dass uns die Öffentlich-Rechtlichen auch noch zwingen (können), für solch einen intelligenzbeleidigenden Bullshit zu zahlen, ist wirklich skandalös. Immer wieder schön zu hören, dass das nicht nur mich zur Weißglut bringt.