Dienstag, 5. Februar 2013

Apple im ARD-Markencheck

Gemeinhin sollte man annehmen können, dass die Öffentlich-Rechtlichen ihrem Auftrag nachkommen, uns Bürger korrekt, unabhängig und qualitativ hochwertig zu informieren. Der Zuschauer kann unzählige Informationen von Reportagen nicht selbst nachprüfen und muss sich somit wohl oder übel auf die Methoden des investigativen Journalismus verlassen.

Nun hat die ARD ihre Glaubwürdigkeit mit dem gestrigen Markencheck jedoch stark unterminiert. Kürzlich hatte sich bereits der Konzern TUI über eine nicht repräsentative und einseitige Darstellung beschwert. Sollte der Vorwurf stimmen, so wäre das ein schwerer Schlag für die Kredibilität des Formats. Dass TUIs Protest womöglich nicht ganz unbegründet ist, lässt der neuste ARD-Markencheck vermuten.

Zweifelhafte Methoden und schwachsinnige Tests
Im Test diesmal: Apple. Ein absolutes Schwergewicht. Im vergangenen Jahr war Apple gemessen am Börsenwert phasenweise gar das wertvollste Unternehmen der Welt. Doch die ARD hat sich nicht aus diesem Grunde verhoben, sondern, weil viele technikinteressierte Menschen über ein ziemlich gutes Faktenwissen zu Apple verfügen und somit ein anspruchsvolles Publikum darstellen.

Ein solches Publikum lässt sich nicht so leicht täuschen. Oder sollen wir wirklich annehmen, dass der Erstkontakt eines einzelner Rentners mit dem iPad repräsentative Rückschlüsse auf die Usability des Geräts liefert? Um so etwas zu untersuchen gibt es einen ganzen Berufszweig, der mit ausgeklügelten Tests und repräsentativ ausgewählten Gruppen von Probanden arbeitet. Und um Vergleiche ziehen zu können, hätten schließlich auch Konkurrenzprodukte getestet werden müssen.

Dass die Marke Apple bei vielen Kunden oder nennen wir sie Fanboys tatsächlich Glücksgefühle auslöst und Hirnareale stimuliert, die eigentlich für menschliche Kontakte reserviert sind, ist nicht wirklich neu. Es überrascht auch nicht, schließlich gründet Apples Erfolg im Wesentlichen auf dem guten Gefühl, das mit jedem Gerät verkauft wird.

Was aber soll uns der Biertest verraten? Da werfen die Redakteure ein drei Jahre altes iPhone in ein Bierglas, um dann erstaunt festzustellen, dass auch nach dem Trocknen kein Telefonieren mehr möglich ist. Danke, auf diesen Test habe ich gewartet!

Ein Smartphone ist mehr als ein Telefon!
Auf zum nächsten Test. Und da wird doch ausgerechnet die Stiftung Warentest zitiert. Die können ja vielleicht Waschmaschinen bewerten, aber von Smartphones haben sie dort ganz offensichtlich keine Ahnung. Beweis gefällig? – Die Stiftung Warentest kürte das Motorola Razr Maxx vor Samsung S3 und iPhone 5 zum Testsieger. Grund, die Telefonfunktion sei sehr überzeugend.

Das ist ja vogelwild! Das Razr Maxx verfügt über eine wesentlich schlechtere Displayauflösung als das iPhone (256 ppi zu 326 ppi), ist gut 20 Prozent schwerer und läuft noch mit der uralt Android-Version Gingerbread (2.3.6; aktuell wäre 4.2.x). Aber die Telefonfunktion ist selbstverständlich das wichtigste Kriterium bei einem Smartphone...

Quelle: ARD
Verkaufspreis – Materialkosten = Gewinn?
Und dieses Niveau wurde nun beibehalten. Wie viel ist ein iPhone eigentlich wert? Das fragte die ARD zunächst Passanten auf der Straße und schließlich einen Experten. Auf 152 Euro Materialkosten wurde schließlich der Wert des iPhones beziffert. Laut unabhängigen Schätzungen selbstverständlich. Aber haben wir da nicht Wichtiges vergessen?

Jeder BWLer lernt früh, dass zu einer vernünftigen Preiskalkulation weit mehr gehört als die Materialkosten. Welche Summen verschlingen denn Forschung und Entwicklung, Löhne, Vertrieb und Marketing? Ja selbst die Gehaltskosten für die Buchhaltungsabteilung spielen bei der Preisbildung eine Rolle. Wenn man schon mit Zahlen wie dem Materialwert um sich wirft, sollte man sie zumindest in den richtigen Kontext betten. Den Materialwert aber einfach kommentarlos dem Verkaufspreis gegenüber zu stellen, ist absolut reißerisch.

Selbstverständlich macht Apple enormen Profit mit jedem Gerät. Apples Mitarbeiter generieren pro Kopf deutlich höhere Gewinne als die der Konkurrenz. Das nennt sich Effizienz und dafür lieben die Anleger Apple. Übrigens ist es ja auch durchaus zweifelhaft, ob ein im Auto festinstalliertes Navi tatsächlich mehrere tausend Euro „wert“ ist, wenn mobile Navis und Smartphones ähnliche Funktionen oder gar mehr bieten. Letztendlich entscheidet der Markt über den Preis.

Apples Lohndumping
Zu guter Letzt wagte die ARD einen Blick hinter die Kulissen. Wie sind die Arbeitsbedingungen beim Apple-Zulieferer Foxconn in China? Es ist ja nun hinlänglich bekannt, dass die Bedingungen bei dem taiwanesischen Unternehmen naturgemäß katastrophal sind. Es wurden gar Menschen vor die Kamera gezogen, die dann klagten, Apple zahle zu wenig.

Das glaube ich gerne. Das ist die Krux unserer globalisierten Finanzwelt. Paradoxerweise zeigten sich Analysten und Anleger zuletzt sogar immer wieder enttäuscht über Apples neue Rekordzahlen. Mit gesundem Menschenverstand ist das nicht mehr nachzuvollziehen. Aber vermag es zu überraschen, dass ein so erfolgreicher Konzern nach den perversen Spielregeln des Marktes spielt?

Die ARD verschwieg übrigens, dass Foxconn weit mehr ist als Apples Zulieferer. Foxconn ist ein gigantischer Hersteller von Computer- und Elektronikkomponenten. Selbstverständlich lassen auch Apples Konkurrenten Samsung, Microsoft, Nokia, Amazon, Acer, Intel, Dell, Nintendo und Co bei Foxconn fertigen. Diese Info gehört zwingend zu einer ausgewogenen Berichterstattung!

Und auch wenn die Arbeitsbedingungen bei Foxconn katastrophal sind, die Umstände, unter denen bspw. OSRAM giftige Energiesparlampen oder kik Jeans in China produzieren lassen, sind weitaus schlimmer, da akut gesundheitsgefährdend, wenn nicht gar lebensbedrohlich.

Quelle: ARD
Schlampige und einseitige Berichterstattung
Auch die Tatsache, dass Apple die Produktion der iMacs teilweise zurück in die USA verlegt hat, fand in dem Bericht keinerlei Erwähnung. Ich werfe der ARD in diesem Falle überhaupt keine Stimmungsmache vor – schließlich kamen auch genügend Apple-Fanboys zu Wort – es ist die schlampige, undifferenzierte und unvollständige Recherche bzw. Ergebnisdarstellung dieses Markenchecks, die mich zur Weißglut bringt!

Nun kann ich mir bei diesem Thema ein eigenes Bild machen, weil ich über viele Informationen verfüge und so die Unzulänglichkeiten des ARD-Markenchecks erkenne. Aber was ist bei anderen Themengebieten, von denen ich kaum oder gar keine Kenntnisse habe? Kann ich dabei auf eine sorgfältige, ausgewogene und qualitativ hochwertige Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen vertrauen? Nach diesen Erfahrungen wohl kaum.

In diesem Sinne frage ich mich, warum ich nicht gleich Galileo schaue. Oder besser, ich lasse die Flimmerkiste einfach ganz aus. Mehr als fernsehspezifisches Wissen werde ich kaum verpassen.

2 Kommentare:

  1. Ein sehr guter Artikel! Zu den die Intelligenz der Zuschauer beleidigenden Checks der ARD hat Fernsehkritik-TV letzte Woche auch was gebracht ;)

    Viele Grüße

    bela devojka

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    1. Zunächst einmal danke für das Lob. Die Website war mir bisher völlig unbekannt. Aber ich werde mir das bei Gelegenheit mal näher ansehen. Wirkt jedenfalls schon mal interessant.

      Es ist ja schon traurig genug, was heutzutage so über den Bildschirm geht, aber dass uns die Öffentlich-Rechtlichen auch noch zwingen (können), für solch einen intelligenzbeleidigenden Bullshit zu zahlen, ist wirklich skandalös. Immer wieder schön zu hören, dass das nicht nur mich zur Weißglut bringt.

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