Donnerstag, 8. November 2012

The Divided States of Whatever


Vier Jahre ist es nun her, da hingen Millionen Menschen an den Lippen eines jungen, dynamischen Präsidentschaftskandidaten. Er schenkte ihnen den Glauben an eine bessere Zukunft. Nicht nur für Amerika, sondern für die ganze Welt. „Yes We Can.“ Selten zuvor vermochte es ein amerikanischer Präsidentschaftskandidat selbst in Europa regelrechte Jubelstürme zu entfachen.

Doch längst ist Ernüchterung eingekehrt. Obama ist ergraut, im Wahlkampf wirkte er teilweise müde. Vom Glanz vergangener Tage ist nicht mehr viel übrig geblieben. Und so liest sich auch seine Bilanz. Der große Wandel ist ausgeblieben.
Man mag ihm gar nicht so recht ankreiden, dass er an seinen eigenen hohen Ansprüchen gescheitert ist. Vermutlich hatte sich Obama selbst mehr von seiner Präsidentschaft versprochen.

Die Republikaner verfügen auch weiterhin über eine Mehrheit im Repräsentantenhaus und fahren eine Art Blockadepolitik. Das ist uns auch in Deutschland nicht unbekannt. Sofern die Regierung im Bundesrat über keine Mehrheit verfügt, werden diverse Vorhaben durch die Opposition blockiert. Reformen lassen sich so nur schwer realisieren. Dabei erfordert die Krise ganz gravierende Veränderungen.

Amerika ist ein tief gespaltenes Land, das zeigt auch das denkbar knappe Wahlergebnis. Und das, obwohl der republikanische Kandidat Romney selbst in seiner eigenen Partei nicht als unumstritten galt. Während Obama vor allem in der Wählergunst der schwarzen Bevölkerung und der Latinos vorne liegt, tendiert die weiße Landbevölkerung traditionell eher zu den Republikanern.

In kaum einer Frage herrscht Einigkeit. Staatshaushalt, Gesundheitsreform, Wirtschaft, Steuern, Waffengesetze, Israel, Iran-Krise, in keinem einzigen Punkt scheint ein politischer Konsens möglich. Wie soll ein Land, das innerlich so zerrissen ist, die Welt führen? Und dieser Anspruch liegt im amerikanischen Selbstverständnis.

Tatsächlich aber mag man sich fragen, warum sich die Amerikaner noch immer als „Greatest Nation on Earth“ bezeichnen. Ein völlig überteuertes und dazu ineffektives Gesundheitssystem, ein marodes Bildungssystem, das öffentliche Verkehrswesen erinnert streckenweise an das eines Entwicklungslandes, bei Wahlen müssen die Menschen zum Teil stundenlang ausharren, die letzten beiden Kriege (Afghanistan und Irak) gerieten zu einer Farce, eine tiefe Kluft zwischen Reich und Arm und nach einem Hurrikan bleibt selbst Manhattan wochenlang ohne Strom.

Worauf seid ihr nur so verdammt stolz liebe Amis? Vom amerikanischen Traum ist nichts mehr übrig geblieben. Ihr seid keine geeinte Nation mehr und euer Führungsanspruch in der Welt rührt aus längst vergangenen Tagen. Die soziale Mobilität ist geringer als in den meisten anderen Industrieländern. Von wegen vom Tellerwäscher zum Millionär. Die oberen zehn Prozent teilen rund 50 Prozent des Gesamteinkommens unter sich auf. Der Sozialstaat wurde sukzessive abgebaut, während ein Strafstaat aufgebaut wurde. Die Gefängnisse fungieren als Staubsauger für den „Sozialmüll“.

Ob Obama die gravierenden Probleme lösen und die gespaltene Nation wieder vereinen kann, erscheint mehr als fraglich. Wir aber haben unsere eigene Krise in Europa und genügend schier unlösbare Probleme vor der eigenen Tür. Warum schauen wir noch immer hoffnungsvoll über den großen Teich? Freilich, irgendwie ist Amerika überall, ob wirtschaftlich oder kulturell. Aber wir haben uns viel zu sehr angewöhnt, Amerika nachzueifern und so selbst diverse Fehlschüsse und gesellschaftliche Probleme ungefiltert adaptiert. Der große Bruder liegt im Sterben. Es ist Zeit, erwachsen zu werden und einen eigenen Weg zu gehen.

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