Vier Jahre ist es nun her, da hingen Millionen Menschen an den Lippen eines jungen, dynamischen
Präsidentschaftskandidaten. Er schenkte ihnen den Glauben an eine bessere
Zukunft. Nicht nur für Amerika, sondern für die ganze Welt. „Yes We Can.“
Selten zuvor vermochte es ein amerikanischer Präsidentschaftskandidat selbst in
Europa regelrechte Jubelstürme zu entfachen.
Doch längst ist Ernüchterung
eingekehrt. Obama ist ergraut, im Wahlkampf wirkte er teilweise müde. Vom Glanz
vergangener Tage ist nicht mehr viel übrig geblieben. Und so liest sich auch
seine Bilanz. Der große Wandel ist ausgeblieben.
Man mag ihm gar
nicht so recht ankreiden, dass er an seinen eigenen hohen Ansprüchen
gescheitert ist. Vermutlich hatte sich Obama selbst mehr von seiner
Präsidentschaft versprochen.
Die Republikaner
verfügen auch weiterhin über eine Mehrheit im Repräsentantenhaus und fahren eine Art
Blockadepolitik. Das ist uns auch in Deutschland nicht unbekannt. Sofern die
Regierung im Bundesrat über keine Mehrheit verfügt, werden diverse Vorhaben
durch die Opposition blockiert. Reformen lassen sich so nur schwer realisieren.
Dabei erfordert die Krise ganz gravierende Veränderungen.
Amerika ist ein tief
gespaltenes Land, das zeigt auch das denkbar knappe Wahlergebnis. Und das, obwohl der republikanische Kandidat Romney selbst in seiner eigenen Partei
nicht als unumstritten galt. Während Obama vor allem in der Wählergunst der
schwarzen Bevölkerung und der Latinos vorne liegt, tendiert die weiße
Landbevölkerung traditionell eher zu den Republikanern.
In kaum einer Frage
herrscht Einigkeit. Staatshaushalt, Gesundheitsreform, Wirtschaft, Steuern,
Waffengesetze, Israel, Iran-Krise, in keinem einzigen Punkt scheint ein
politischer Konsens möglich. Wie soll ein Land, das innerlich so zerrissen ist,
die Welt führen? Und dieser Anspruch liegt im amerikanischen Selbstverständnis.
Tatsächlich aber
mag man sich fragen, warum sich die Amerikaner noch immer als „Greatest Nation
on Earth“ bezeichnen. Ein völlig überteuertes und dazu ineffektives
Gesundheitssystem, ein marodes Bildungssystem, das öffentliche Verkehrswesen
erinnert streckenweise an das eines Entwicklungslandes, bei Wahlen müssen die
Menschen zum Teil stundenlang ausharren, die letzten beiden Kriege (Afghanistan
und Irak) gerieten zu einer Farce, eine tiefe Kluft zwischen Reich und Arm und
nach einem Hurrikan bleibt selbst Manhattan wochenlang ohne Strom.
Worauf seid ihr nur
so verdammt stolz liebe Amis? Vom amerikanischen Traum ist nichts mehr übrig
geblieben. Ihr seid keine geeinte Nation mehr und euer Führungsanspruch in der
Welt rührt aus längst vergangenen Tagen. Die soziale Mobilität ist geringer als in den meisten anderen Industrieländern. Von wegen vom Tellerwäscher zum
Millionär. Die oberen zehn Prozent teilen rund 50 Prozent des
Gesamteinkommens unter sich auf. Der Sozialstaat wurde sukzessive abgebaut,
während ein Strafstaat aufgebaut wurde. Die Gefängnisse fungieren als
Staubsauger für den „Sozialmüll“.
Ob Obama die gravierenden Probleme lösen und die gespaltene Nation wieder vereinen kann, erscheint mehr als fraglich. Wir aber haben unsere eigene Krise in Europa und genügend schier unlösbare Probleme vor der eigenen Tür. Warum schauen wir noch immer hoffnungsvoll über den großen Teich? Freilich, irgendwie ist Amerika überall, ob wirtschaftlich oder kulturell. Aber wir haben uns viel zu sehr angewöhnt, Amerika nachzueifern und so selbst diverse Fehlschüsse und gesellschaftliche Probleme ungefiltert adaptiert. Der große Bruder liegt im Sterben. Es ist Zeit, erwachsen zu werden und einen eigenen Weg zu gehen.
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