Montag, 12. November 2012

Absolute Mehrheit: Raabs Politainment-Show


ProSiebens Allzweckwaffe Stefan Raab wagte sich gestern mit seiner Sendung „Absolute Mehrheit“ nun auch auf politisches Terrain. Doch Polit-Talks gibt es bekanntlich schon bei den öffentlich-rechtlichen Sendern zur Genüge. Und um Raabs Stammpublikum für dieses Format zu begeistern, bedarf es dann doch gravierender Modifizierungen. Ein Raab allein reicht da nicht.

So versammelte Raab also vier mehr oder minder prominente Politiker und eine Jungunternehmerin auf seinem Sofa, die er dann breitbeinig und in gewohnter TV-Total-Manier zu drei Themengebieten interviewte. Währenddessen konnte das Publikum per Anruf oder SMS kostenpflichtig für die Gäste abstimmen. Sofern es einem Gast gelingt nach drei Runden mehr als 50 Prozent der Stimmen hinter sich zu bringen, winken 100.000 Euro Preisgeld.

Ein irgendwie äußerst skurriles Format, das bereits im Vorfeld auf viel Kritik stieß. Votings sind den Zuschauern des Privatfernsehens zwar alles andere als fremd (hier hat sich die Unterhaltungsindustrie vor langer Zeit eines politischen Instruments bedient), doch geht es dabei üblicherweise darum, die Gewinner diverser Castingshows zu küren oder C-Prominenz zum Kakerlaken-Wettessen antreten zu lassen. Dass politische Akteure allerdings in einem TV-Studio um ein Preisgeld und die Gunst des Publikums konkurrieren, das hat schon etwas von einem Gladiatorenkampf im Kolosseum, mit Raab als Imperator.

Insbesondere Talkgast Jan van Aken (Die Linke) schien tatsächlich – einem Gladiator gleich - um sein (politisches) Überleben „kämpfen“ zu wollen. Immer wieder wandte er sich dem Publikum direkt zu, als bettelte er geradewegs um Anerkennung. Gerade bei ihm wäre es spannend gewesen, zu erfahren, was er mit dem Preisgeld angestellt hätte. Es scheint jedenfalls ähnlich wie bei den Bochumer Stadtwerken keine Spendenvereinbarung zu existieren.

Leider blieb die spannendste Frage des Abends (Verwendungszweck des Preisgelds) jedoch unbeantwortet, da niemand die „absolute Mehrheit“ hinter sich bringen konnte. Ansonsten langweilte der Talk mit den üblichen politischen Phrasen („Wenn wir dieses Land sozial gestalten wollen, brauchen wir ein Bündnis der Starken und der Schwachen.“ – Thomas Oppermann (SPD)) und aufreizend polemischen Einspielfilmchen. Michael Fuchs (CDU) analysierte dann noch messerscharf die Sonnenscheindauer Andalusiens und Griechenlands. Dort scheint die Sonne nämlich (wer hätte das gedacht?) öfter/länger als hierzulande und daher wäre die Solarstromausbeute dort auch viel höher. Logisch, oder?!

Eine wirklich interessante Diskussion hätte aber ohnehin nie wirklich aufkommen können, weil Raab alle fünf bis acht Minuten einfach unterbrach, um mit Peter Limbourg die spannenden Zwischenstände im Zuschauer-Voting zu verkünden. Letztgenannter konkurrierte zwar nicht um das Preisgeld, wollte sich aber wohl unbedingt für die goldene Kniescheibe bewerben. „Sie können auch Politik“, schmeichelte er Raab, als gehörte diesem mittlerweile die ganze Sendergruppe.

Unter dem Quotenaspekt (11,6 Prozent Marktanteil) mag der Auftakt ja durchaus geglückt sein, inhaltlich war es aber lediglich ein weiterer Schritt in der Entertainisierung der Politik. Es ziemt sich einfach nicht für einen Volksvertreter, in Raabs TV-Arena um ein Preisgeld zu kämpfen. Andererseits wirkt Raab, der sonst mit Sendungen wie „TV Total Turmspringen, Pokerstars, Wok-WM, Quizboxen, Autoball oder BallBall“ aufwartet, als Polit-Talker wenig authentisch. Kurzum, die Sendung „Absolute Mehrheit“ ist sicherlich kein Gewinn für die TV-Landschaft, sondern absolut entbehrlich. 

5 Kommentare:

  1. Dem kann ich mich nur anschliessen. Meiner Meinung nach kann Politik nicht gemacht werden, wenn man sich nach der Meinung vieler richtet (wenn man genug Stimmen bekommt), sondern man sollte versuchen im Interesse des Volkes Politik zu machen. Auch wenn das bedeutet, dass es nicht leichter wird. Wenn schwere Wege begangen werden müssen um ein besseres Jetzt zu erreichen, dann muss man das machen. Egal wieviele die Bequemlichkeit vorziehen.

    Ich finde es trautig, das dem Raab nur eine Sendung gelingt, wenn man etwas gewinnen kann. Das hat mit Meinungsmache nicht mehr viel zu tun sondern eher etwas mit "wie muss ich mich anstellen, damit ich an die Macht komme?" (kommt mir einem Betteln gleich).

    Auf der anderen Seite: wenn das der Wille des Volkes ist, dann darf sich niemand mehr über unsere Politiker aufregen. "WIR" haben es ja nicht anders gewollt...

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    1. Danke für deine Meinung! Du sprichst interessante Punkte an. Wobei in meinen Augen der erste Absatz etwas widersprüchlich erscheint. Immerhin gründet das Demokratieverständnis schließlich darauf, im Sinne einer Mehrheit zu entscheiden. Es sei denn, du willst den Menschen die Fähigkeit absprechen, zu wissen, was für sie selbst am besten ist (was eine sehr interessante Sichtweise wäre).

      Besonders beachtenswert finde ich deine Schlussformel. Haben "wir" es wirklich nicht anders gewollt? Ich denke, es lohnt sich, das etwas differenzierter zu beleuchten. Meine persönliche Meinung hierzu hat sich in den letzten Jahren tatsächlich sehr gewandelt. Der geeignetere Rahmen, dies näher zu erläutern, wäre aber vermutlich ein neuer Post. Ich würde mich freuen, wenn du dann wieder einen Kommentar hinterließest.

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  2. Hallo, in der Tat könnte man den ersten Absatz so auffassen :-) Gemeint ist aber folgendes: nicht immer was die Mehrheit will ist auch das Beste. (das weis man leider auch immer erst hinterher).
    Ich will gewiss niemandem absprechen das er nicht weiss was das beste für ihn ist. Da hat eh jeder eine andere Auffassung von ;-) Und schon kommen wir zu einem anderen Problem der Demokratie ;-) Man muss nur genug finden, die das gleiche wollen wie man selbst.

    Ich stimme dir aber zu, das der Grundgedanke einer Demokratie die Abstimmung ist und das die Mehrheit das Sagen hat / haben sollte.

    Ist schwer zu beschreiben. Ich finde schenbar nicht die passenden Worte dazu.

    Gerne beobachte ich deinen Blog weiter und kommentiere sofern mir was passendes dazu einfällt (hoffentlich was sinn- und niveauvolles)

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  3. Die Show hat rein gar nichts. Im Gegenteil. Der Talk sebst wirkte total zerfahren. Wie alle Polit-Talks, ging es auch hier nicht ans Eingemachte. Genau das aber bräuchte unsere Demokratie. Also dass man Politikern endlich mal gründlich auf den Zahn fühlen würde. Stattdessen gab es das übliche Profilgelaber, dem auch niemand Anhand von Fakten wiedersprochen hat. Raab hat leider kaum Ahnung und hetzte stattdessen durch drei Themenfelder und die Show.

    Diese Zwischenabstimmungen störten die Diskussion noch zusätzlich. Wenn das das gesamte Konzept ist, um Zuschauer für Politik zu begeistern, dann gute Nacht. Nur Dummies rufen da an. Oder eben Wählautomaten, die so einen wie Kubicki für ein paar Euro noch gut aussehen lassen sollen.

    Die Show hatte nichts, dass man nicht auch woanders geboten bekommt. Es sei denn, man steht auf ahnungs- und tatenlose Moderatoren. Absolute Mehrheit braucht daher kein Mensch.

    Es gibt auch nur zwei Themen, die sich nicht für Unterhaltungsshows eignen: Politik und Religion. Nicht einmal Raab wird das ändern können. Politik und Unterhaltung, wird auch er nicht zusammenbringen. Da müsste er schon einen Politpromi mal so richtig grillen. Aber dann würde auch niemand mehr in seine Show kommen.

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    1. Besten Dank für deinen Kommentar. In einem Punkt möchte ich dir allerdings widersprechen. Religion und Politik sind überaus streitbare Themen und doch oder vielleicht auch gerade deswegen taugen sie zur Unterhaltung.

      Auf der einen Seite gibt es die politische Unterhaltung, wie Raabs Show oder die der Öffentlich-Rechtlichen, in denen politische Akteure auftreten. Der "Medienkanzler" Schröder war gar mal bei "Wetten Dass..." und hatte noch als Ministerpräsident einen Auftritt bei "GZSZ".

      Andererseits bedient sich die Unterhaltungsindustrie politischer Themen (unterhaltende Politik). Denk nur an all die Kriegsfilme, seien diese nun als Ehrrettung für die Army gedacht (z.B. Rambo oder Top Gun) oder eher kritisch veranlagt. Die Serie "24" behandelte praktisch ausschließlich Terrorismus und die entsprechenden politischen Konstellationen inkl. Moral- und Ethikkonflikte (z.B. die Folter von Verdächtigen).

      Sicherlich, das sind jetzt keine Shows, sondern teure Film- und Fernsehproduktionen, aber Politik und Unterhaltung, das geht sehr wohl zusammen. In den USA ist es durchaus auch üblich, dass Spitzenpolitiker (sogar Präsident Obama) in TV-Shows (z.B. "Daily Show") auftreten.

      Ob das nun wünschenswert ist, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Generell sind politische Identitäten freier wählbar geworden (der Fließbandarbeiter im Opelwerk Bochum wählt nicht mehr zwangsläufig die SPD) und es gibt immer mehr Wechselwähler. Damit geht einher, dass eher nach Personen und Sympathien gewählt wird. Und so nimmt der Wahlkampf den Charakter eines Pferderennens an => Amerikanisierung der Politik.

      Wie die Quote belegt, hat Raabs Show durchaus Erfolg. Leider muss man wohl sagen. Aber es geht eben immer mehr um Sympathien, denn um Inhalte. Zumal kein Mensch mehr durch die aufgeführten Statistiken durchblickt. Der eine nennt diese Zahlen, der andere jene. Wer hat Recht? Da bringt nur Plasbergs Faktencheck ab und an mal Licht ins Dunkel.

      Ist Ökostrom nun teurer als Atomstrom? Kommt sicherlich auf die Berechnungsgrundlage an. Und das ist alles sehr ermüdend. Zumal die meisten Politiker doch ohnehin nur noch ferngesteuert sind und die Interessen einflussreicher Lobbyisten vertreten.

      Raabs Showkonzept ist m.E. vollkommen absurd und niveaulos. Leider geht es nicht um Niveau und Qualität, sondern einzig und allein um Aufmerksamkeiten und Geld. Insofern war die Show leider ein Erfolg...

      Du hast natürlich absolut Recht, dass man keine Wunderdinge erwarten kann/darf. Politiker wollen positive Aufmerksamkeit und Fernsehsender wollen Quote. Wenn da ein Politiker richtig bloßgestellt würde, käme vermutlich niemand mehr in die Show und das läge wiederum nicht im Interesse der Sender. Von daher ist das eher eine Art Symbiose.

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