Dienstag, 8. Januar 2013

Plasbergs lahmer Talk über Lebensmittel

Am Montag diskutierte Frank Plasberg mit seinen Gästen zum Thema: „Die Supermarkt-Lüge – Wie gut und fair kann günstig sein?“ Trotz der eigentlich viel zu kurz gegriffenen Versteifung auf Supermärkte, hätte es durchaus interessant werden können. Doch leider verließ die Diskussion nur selten das Fahrwasser der Banalität.

Das mag mitunter auch an der Auswahl der Gäste gelegen haben. Während die Vertreter der Industrie sowie des Handels in Person von Stefan Genth und Jürgen Abraham in die Sendung passten und ihre Sache durchaus zu verkaufen wussten, blieben die Verfechter des „guten“ Essens leider vollkommen blass. Bezeichnend, dass Hauswirtschaftsmeisterin Yvonne Willicks, Koch Vincent Kling und Kabarettist Bernd Stelter allesamt auf der Gehaltsliste der Öffentlich-Rechtlichen stehen. Das nennt man dann wohl selbstreferentiell.

Vincent Kling hatte zwar den einen oder anderen Lacher auf seiner Seite, versagte aber beim Geschmackstest von Bio- und Supermarktfleisch. Auch die Schilderung des Speiseplans (u.a. Grieß- und Haferbrei) seiner 92-jährigen Schwiegermutter, ließ dem Zuschauer nicht gerade das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Bernd Stelter dagegen legte besonderen Wert auf Wursttheken-Romantik. Dass die Qualität dieses Fleisches nicht besser ist als die des abgepackten Äquivalentes, bedarf dabei keiner weiteren Erläuterung. Der höhere Preis der Thekenprodukte rechtfertigt sich jedoch durch den höheren Personalaufwand, wie Jürgen Abraham einwarf. Was nun eigentlich Stelters Anliegen war, blieb ihm vermutlich selbst schleierhaft.

Derweil diskreditierte sich Yvonne Willicks permanent selbst. Ihre redundante Forderung nach mehr Produkt-Informationen auf Verpackungen wirkte geradewegs penetrant und veranlasste einen Zuschauer zu einem süffisanten Kommentar auf facebook. „Frau Willicks möchte am liebsten noch auf der Verpackung stehen haben, welche Hobbys der Bauer hat.“

Dass Louisiana-Flusskrebse nicht etwa aus dem Mississippi, sondern aus Binnenfischerei in China stammen, vermag heutzutage nicht wirklich zu verwundern. Ebenso finden Lachse und Forellen aus Aquakulturen in Norwegen bzw. Polen den Weg in die Supermarktregale. Das ist lediglich das Äquivalent zur Massentierhaltung von Hühnern, Kühen und Schweinen. Anders lässt sich die enorme Nachfrage aber wohl gar nicht mehr decken. Ob dies ethisch und ökologisch vertretbar ist, steht auf einem anderen Blatt.

Leider verpasste es die Talkrunde auf die wirklichen Verbrauchertäuschungen und Lügen der Industrie einzugehen. Natürlich bewegen sich diese in einem gesetzlichen Rahmen, aber das liegt selbstverständlich auch an der Lobbyarbeit der Lebensmittelindustrie. Wirklich katastrophal ist es doch, wenn ein Lebensmittel suggeriert etwas zu sein, was es de facto nicht ist.

Fruchtjoghurt beispielsweise, der mit den Abbildungen herrlicher Früchte auf den Deckeln lockt und mit gesundheitsfördernden Joghurtkulturen wirbt. Ein Blick auf die Inhaltsstoffe und die Nährwertangaben aber verrät, dass diese Joghurts zu einem Großteil aus Zucker bestehen und der Geschmack ausschließlich (natürlichen) Aromen zuzuschreiben ist. Das ist Verbrauchertäuschung!

In Fällen wie diesen wirkt der von Herrn Abraham ins Feld geführte „mündige Verbraucher“ geradewegs lächerlich. Selbstverständlich schmeckt der Joghurt bei den zugesetzten Aromen und all dem Zucker. Das ist aber auch kein Wunder. Jeder Chemie-Lehrer könnte Naturjoghurt mit Zucker und ein paar Tröpfchen Chemie in einen leckeren Joghurt verwandeln. Die Frage ist nur, ob wir das wirklich wollen.

Tragischerweise aber haben wir in diesem Fall z.B. nur die Wahl zwischen Kauf und Nicht-Kauf, die große Produktvielfalt ist nämlich nur eine trügerische Wahlfreiheit. Selbst höherpreisige Marken wie Landliebe oder Weihenstephan benutzen Aromen. In keinem einzigen Supermarkt fand ich bisher einen natürlichen Fruchtjoghurt ohne zugesetzte Aromastoffe. Ebenso werden vermeintlich hochwertige Produkte wie z.B. Bertolli-Pesto mit billigen Inhaltsstoffen gestreckt. Dass Kartoffelflocken in einem echten Pesto nichts verloren haben, dürfte nicht nur Italienern bekannt sein.

Selbst mit Bio-Produkten wird enorm viel Schindluder getrieben. Wie kann es sein, dass Bio-Honig laut Etikett aus EG- und nicht-EG-Ländern zusammengemixt wird? Einzig der wesentlich teurere echte dt. Imker-Honig ist qualitativ hochwertig und als regional vertriebenes Produkt ökologisch vertretbar (obwohl er kein Bio-Siegel trägt). Wie ist es zu rechtfertigen, dass Bio-Kartoffeln in Ägypten angebaut und dafür Unmengen kostbaren Wassers verschwendet werden, während in Deutschland gleichzeitig Ackerland brach liegt und sogar Kartoffeln vernichtet werden müssen? – Was hat das noch mit Ökologie zu tun?

Fettreduzierte Milchprodukte enthalten häufig einen höheren Zuckeranteil, um den Geschmack beizubehalten. Und das, obwohl der menschliche Organismus wesentlich besser Fett verarbeiten kann als Zucker. All so etwas kann man nur wissen, wenn man zufällig darüber gestolpert ist oder darauf hingewiesen wird. Die Industrie aber wünscht sich unmündige und unkritische Verbraucher.

Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass insbesondere für Kinder beworbene Lebensmittel, wie Kellogg’s Müsli, Milchschnitte oder Capri-Sonne viel zu große Mengen an Zucker und Kalorien enthalten. Auf diese Weise züchtet sich die Industrie schon die Kunden von morgen. Es ist schließlich auch kein Geheimnis, dass Zucker zu Heißhungerattacken und damit zu mehr Konsum führt. Darüber hinaus sind die zuckerhaltigen Produkte natürlich auch wesentlich teurer als beispielsweise Obst oder Gemüse.

Aber über all dies verlor die Talkrunde kein Wort. Warum hat man Herrn Abraham als Vertreter für Firmen wie Nestlé und Kraft nicht auf diese Verbrauchertäuschungen und Lügen der Industrie festgenagelt? Warum ließ man Herrn Genth nicht erklären, wieso Waren aus dem Ausland, die unter katastrophalen ökologischen Umständen hergestellt werden, den Weg ins Regal schaffen, während heimische Produzenten ihre Ware vernichten müssen?

Und auf die TV-Combo aus Koch, Hauswirtschafterin und Abspeck-Komiker hätte man getrost verzichten können. Sie trugen rein gar nichts zur Diskussion bei. An ihrer Stelle wären Lebensmitteltechniker, Verbraucherschützer, Vertreter von relevanten Verbänden wie z.B. Foodwatch oder Greenpeace und vor allem auch Politiker die wesentlich interessanteren Gäste gewesen.

Wieder einmal haben uns die Öffentlich-Rechtlichen eindrucksvoll vor Augen geführt, dass hohe Kosten nicht immer mit guter Qualität einhergehen. Die Banalität der gestrigen „Hart aber fair“-Sendung steht hierfür exemplarisch.

4 Kommentare:

  1. Ich habe die Sendung gestern leider nur zum Teil gesehen, aber diese Ausschnitte gaben genau das wieder, was Du schilderst.
    Auch die anderen Punkte sind genau auf den Punkt gebracht.
    Ich habe auch das Gefühl, dass der Staat und die Industrie sich einig sind, dass dumme Bürger leichter zu handhaben sind.
    Wenn der Kühlschrank voll ist, der Fernseher läuft und man noch einmal im Jahr in Urlaub fahren kann, sind die meisten auch zufrieden.
    Im alten Rom nannte man das "Panem et circenses" - Brot und Spiele.
    Mach weiter so!

    Beste Grüße

    Thomas

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    1. Du sagst es: Brot und Spiele! Absurderweise werden die Öffentlich-Rechtlichen jedoch als wichtige Stütze der Demokratie deklariert, dabei könnten sie kaum näher mit der Politik verbandelt sein. Und das heißt dann soviel wie: Die herrschenden Gedanken sind immer die Gedanken der Herrschenden.

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  2. Interessanter Post...kann ich nur zustimmen...
    es ist wirklich nicht einfach bei diesem Thema
    den Druchblick zu bekommen, auch wenn man sich
    bemüht, am Ende ist man doch auf Verpackungslügen und CO.
    reingefallen...

    lg

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    1. Absolut! Was einem da so alles verkauft wird, ist ein Witz. Natürliches Aroma darf so heißen, weil es aus natürlichen Rohstoffen gewonnen wird. Tatsächlich wird das Aroma dann u.a. aus Zedernholz und Schimmelpilzen gewonnen. Was daran natürlich sein soll, erschließt sich zumindest mir nicht.

      Und unsere Politik duldet es auch noch, dass dann z.B. Maggi und Uncle Ben's ihre Produkte als frei von "künstlichen" Zusatzstoffen und Geschmacksverstärkern bewerben dürfen, obwohl sie lt. Zutatenliste Aromen und Hefeextrakt (Geschmacksverstärker) enthalten.

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