Dienstag, 8. Oktober 2013

Hart aber fair: "Etwas besseres als den Tod bieten wir nicht?"

Es war schon abzusehen, dass das "Flüchtlingsdrama" von Lampedusa unweigerlich wieder zum Thema zahlreicher Polit-Talks gemacht werden würde. Ebenso wenig vermögen es der allgemeine Tenor einer solchen Sendung, sowie die Zusammenstellung der Talkrunde noch zu überraschen.

Unter einem mal wieder sehr provokanten Titel ("Tragödie am Strand - Etwas besseres als den Tod bieten wir nicht?") läutete Frank Plasberg am Montag die Talkwoche ein. Elementare Bestandteile einer solchen Sendung sind natürlich immer dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nahestehende Journalisten, die mit entsprechenden "Erfahrungswerten" zum jeweiligen Thema auftrumpfen können und so gleichzeitig für die wünschenswerte - politisch wie moralisch korrekte - Meinungsbildung zuständig sind. In diesem Fall übernahm Elias Bierdel diesen Part, schließlich setzt er sich schon seit Jahren in der Flüchtlingspolitik ein und kämpft für Menschenrechte.

Dann nimmt man gern noch einen Betroffenen mit ins Talk-Boot. Diese Rolle übernimmt häufig - sofern sie nicht gerade Taschen auf QVC anpreist - Khadra Sufi, die als somalische Diplomatentochter, später Asylsuchende und Flüchtlingskind praktischerweise gleich ein breites Spektrum an Talkthemen abdecken kann. Dann nehme man noch jemanden aus dem Entertainment-Bereich, der zusammen mit dem Betroffenen die nötige Emotionalität reinbringt, einen drögen Politiker (heißt ja schließlich Polit-Talk) und natürlich einen Antagonisten. Einen, der eine unpopuläre Meinung vertritt und auf den sich dann alle nach Herzenslust einschießen dürfen. Ironischerweise scheinen diesen Part häufig Schweizer Journalisten zu übernehmen. In Deutschland lassen sich offenbar keine Journalisten finden, die bereit sind, sich in eine rechte Ecke drängen zu lassen.

Wie gesagt, alles wenig überraschend. Wolfgang Niedecken - so eine Art Bono für Arme (also vom Standing her) - begann seine Statements zwar stets mit dem guten Vorsatz, nicht polemisch sein zu wollen, warf diesen dann aber gleich wieder über Bord. So bezeichnete er die Katastrophe von Lampedusa mehrfach als Massaker und prangerte später sogar noch an, dass die Öffentlichkeit die Tragödie der Costa Concordia ganz offensichtlich als das größere Übel empfände und Weiße per se offenbar mehr wert seien als Schwarze.

Puh, das muss man erstmal sacken lassen. Ich hatte ja jetzt nach der Ankündigung eigentlich nicht mit einer solchen polemischen Breitseite gerechnet. Denn anders kann man es wohl nicht bezeichnen, wenn der Herr Niedecken hier das Sinken eines 450 Millionen Euro teuren Kreuzahrtschiffes mit dem Kentern eines nicht hochseetauglichen Flüchtlingsbootes vergleicht, das nur Mangels Wortalternativen überhaupt als Boot bezeichnet werden kann. Ist es etwa nicht tragischer, wenn Menschen auf einer an für sich völlig harmlosen Vergnügungsfahrt ihr Leben verlieren, weil so ein Bunga-Bunga-Kapitän zu nah an der Küste vorbeischippert, als wenn Menschen, die bei dem Versuch illegal einzuwandern wissentlich ihr Leben riskieren und schließlich mit einem kaum seetauglichen Boot kentern?

Die Hautfarbe hat damit überhaupt nichts zu tun! Und es bringt mich wirklich zur Weissglut, dass uns Zuschauern ständig von irgendwelchen selbstgerechten Selbstdarstellern im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus vorgeworfen wird. Genauso lief das kürzlich schon bei Maischberger ab, als diese zum Thema Asyl talkte (siehe hier).

Weiter emotionalisiert wurde das Thema von einem Einspieler, der RTL-Reporter Jenke von Wilmsdorff an Bord eines Flüchtlingsschiffes zeigte, sowie den persönlichen Erfahrungen Sufis als Flüchtling. Die Reportage von Jenke von Wilmsdorff machte aber auch deutlich, dass es sich bei den meisten Flüchtlingen um überwiegend männliche sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge handelt. Diese Flüchtlinge sind weder völlig mittellos, noch werden sie verfolgt. Um überhaupt auf ein solches Boot zu gelangen, müssen die Flüchtlinge teilweise mehrere tausend Euro zahlen. Die Strukturen der Schlepperbanden bezeichnete von Wilmsdorff gar als mafiös.

Aber natürlich gingen diese Erkenntnisse schnell im allgemeinen Tenor der Sendung unter. Es blieben vor allem die Bilder von leidenden Menschen in den Köpfen zurück. Eine denkbar schlechte Vorraussetzung, um in einer so emotional aufgeladenen Stimmung nüchtern zu argumentieren. Der Schweizer Journalist Roger Köppel versuchte es trotzdem. Er sprach von einer völlig verfehlten europäischen Asylpolitik, sowie falscher Entwicklungshilfe. Davon abgesehen wollte er aber auch die Selbstverantwortung der Afrikaner bzw. afrikanischer Staaten nicht vergessen wissen. Außerdem mahnte er an, dass Europa weder allein verantwortlich für das Übel sei, noch in der Lage wäre, dieses zu beseitigen.

Wie nicht anders zu erwarten war, sah er sich natürlich mitunter unverschämten Bemerkungen und Anfeindungen ausgesetzt. Elias Bierdel warf Köppel nicht nur vor, Propaganda zu betreiben, sondern beschimpfte ihn am Ende der Sendung gar als "rechten Schmierfink". So etwas geht defintiv zu weit! Es kann doch wirklich nicht angehen, dass es salonfähig ist, Leute zu diffamieren, nur weil sie eine unbequeme Wahrheit aussprechen. Niedecken und Bierdel verbreiten ihre linke Propaganda, Köppel aber wollen sie das Recht absprechen, eine andere Meinung kundtun zu dürfen.

Was bringt es denn, wenn der EU-Parlamentarier Elmar Brok und Khadra Sufi uns Europäer auffordern, zu teilen? Das sind doch nur hohle Wortphrasen, für die sie rührseligen Applaus erhaschen wollen. Gerade die südeuropäischen Länder, die Anlaufstelle für die Flüchtlinge sind, wie Spanien, Italien und Griechenland, ächzen doch gerade selbst unter der Wirtschaftskrise. Speziell in Spanien und Griechenland sind viele Existenzen durch die hohe Arbeitslosigkeit bedroht. Ich möchte wetten, dass jeder, der sich vor diese Leute stellt und von ihnen verlangt, ihr letztes Hab und Gut mit den Flüchtlingen zu teilen, auf der Stelle von einem wütenden Mop gelyncht würde.

Ich finde Köppel hat absolut recht, wenn er sagt, dass in Wahrheit die Forderungen von Niedecken und Bierdel zynismusgeprägt seien, weil sie eben jeglicher Grundlage entbehren. Selbst wenn Europa wollte, könnte es die Flüchtlingsproblematik nicht lösen. Es ist immer leicht und populär, empört nach mehr Empathie, Humanismus und Hilfe zu verlangen. Ebenso gut könne man Arbeit und Wohlstand für alle fordern. Wer sollte dem widersprechen? Allein realisierbarer wird es dadurch nicht.

Rolf-Dieter Krause schaffte dann im Anschluss an die Sendung mit seinem Kommentar für die ARD Tagesthemen das, was Plasberg in fast 80 Sendeminuten nicht gelang. Er brachte es auf den Punkt. Denn so tragisch es auch ist, dass Menschen ihr Leben für die leise Hoffnung auf ein besseres Leben riskieren und verlieren. Egal, was wir auch tun, "wir kommen um die Einsicht nicht herum, dass es nicht reichen kann. Europa kann nicht alle Menschen aufnehmen, die zu uns wollen und es kann auch nicht die Ursachen für die Armutswanderungen beseitigen."

Für diese nüchternen Worte gebührt Rolf-Dieter Krause Dank. Denn die polemischen Forderungen eines Wolfgang Niedecken oder Elias Bierdel sind vor allem Effekthascherei und helfen womöglich lediglich der Beruhigung des eigenen Gewissens. Der Sache aber sind sie nicht dienlich.

2 Kommentare:

  1. Habe grade die Wiederholung gesehen. War wirklich unterhaltend, der Typ aus der Schweiz war echt angepisst wegen der Beleidigung :D

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    1. Das war ja auch mehr als unverschämt. Aber da war noch etwas anderes, was mich extrem an der Sendung gestört hat. Mal abgesehen von der ewig gleichen Zusammenstellung der Talk-Runde und diesem Gutmenschentum. Doch dazu mehr im nächsten Post...

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