Mittwoch, 26. Juni 2013

Mit Gewalt nach Europa...



Bisher habe ich mich mit einem Statement zu den Ausschreitungen in der Türkei vornehm zurückgehalten. Das hat vor allem den Grund, dass ich mich etwas schwer damit tue, unsere kulturellen und politischen Werte eins zu eins auf andere Länder zu übertragen. Das funktioniert einfach nicht. So etwas muss wachsen und kann nicht von außen aufoktroyiert werden. Wandel muss von innen kommen, von den Menschen selbst...

Aber die Türken mischen sich ja schließlich auch gerne in fremde Angelegenheiten ein. Und wenn ich von "den Türken" spreche, dann meine ich natürlich den Staatsapparat, die politischen Amt- und Würdenträger. Ich erinnere mich noch gut daran, wie Erdogan in Köln zu den Deutsch-Türken sprach predigte und mahnte, sie dürften ihre türkische Identität niemals aufgeben, sich niemals vollständig assimilieren.

Nun ist das Wort Assimilation offenbar ohnehin verpönt. Warum, das wissen nur diese Gutmenschen und Kulturromantiker, die es als politisch inkorrekt ächten. Dabei wollen doch gerade die stets alle gleich machen. Und nichts anderes bedeutet schließlich Assimilation. Das Angleichen einer Gruppe an eine andere, bis hin zur Verschmelzung. Mit anderen Worten, die vollständige Integration. Tatsächlich wäre dies doch der Idealzustand! Menschen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland aufwachsen, sind so perfekt integriert, dass sie sich absolut heimisch fühlen. - Was bitte soll daran schlimm sein?

Erdogan aber nannte die Assimilation "ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und proklamierte, in Deutschland geborene Türken, müssten in erster Linie Türkisch lernen und erst dann Deutsch. Welch ein Affront gegen Deutschland! Sich so zu äußern, ist schon ziemlich frech, schließlich mischt er sich damit massiv in die Integrationspolitik Deutschlands ein, diese Rede aber auch noch in Deutschland zu halten, bedarf schon einer gehörigen Portion Dreistigkeit.

Kürzlich echauffierte sich dann ein türkischer Politiker über das Kreuz im Gerichtssaal beim NSU-Prozess. Das religiöse Symbol sei eine "Bedrohung für alle Nichtchristen" und habe "in einem Rechtsstaat" nichts verloren. Sicherlich kann man darüber streiten, ob ein Kreuz im Gerichtssaal hängen sollte, unstrittig ist aber, dass der Einfluss der Kirchen hierzulande garantiert nicht bis in den Gerichtssaal reicht. Und hier prangt ja schließlich auch nicht "In God We Trust" auf dem Tribunal.

Also Füße still halten und erstmal vor der eigenen Haustür kehren! Zwar ist besagter Politiker Anhänger der Oppositionspartei, aber dennoch sollte er sich lieber mal gegen die Islamisierung in seinem Land wehren, anstatt Deutschland die Religionsfreiheit abzusprechen. Schießen denn hierzulande überall Moscheen wie Pilze aus dem Boden, oder reiht sich etwa in der Türkei Kirche an Kirche?

Im Vorfeld des Prozesses kam es übrigens noch zu einem kuriosen Ereignis, das in den Medien gar nicht thematisiert wurde. So verweigerte die Türkei nämlich die Auslieferung des mutmaßlichen Todschlägers Onur U. im Fall des getöteten Jonny. Wenige Tage vor Beginn des NSU-Prozesses konnte die deutsche Justiz den Verdächtigen dann jedoch in Gewahrsam nehmen. Zufall? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Doch zurück zur Islamisierung der Türkei durch Erdogan und seine Gefolgschaft. So versuchte seine Partei sogar den Ehebruch unter Strafe zu stellen und unter dem Deckmantel des Jugendschutzes, wollte man alle Käufer von pornografischen Inhalten staatlich registrieren. Die Meinungsfreiheit ist insbesondere in religiösen Fragen sehr stark eingeschränkt. Türkische Gerichte stehen in dem Verdacht, häufig pro-islamisch zu entscheiden und in den Schulen wurden neben dem Pflichtfach Religion auch noch die Wahlfächer, Koran, Arabisch und das Leben des Propheten eingeführt. Darüber hinaus erhalten die Absolventen religiöser Kaderschmieden den gleichen Abschluss, wie die Absolventen von geistes- und naturwissenschaftlichen Schulen.

Auch um die Freiheit der Menschen ist es unter der Regierung Erdogan schlecht bestellt. So wird die Zulassung von Ärzten in Zukunft nicht mehr von einer unabhängigen Ärztekammer erteilt, sondern von einer Regierungsbehörde. Schon jetzt müssen Ärzte um ihre Approbation bangen, die verletzten Demonstranten geholfen haben. Die Demonstranten werden von der Regierung nämlich als Staatsfeinde eingestuft. Ärzte, die verletzten Demonstranten dennoch helfen und damit lediglich dem Hippokratischen Eid nachkommen, wird unterstellt, sich selbst staatsfeindlich zu verhalten.

Zu guter Letzt hat sich Erdogan durch seine Partei auch noch das Recht zusprechen lassen, die Pressefreiheit zu beschneiden, sofern er die öffentliche Ordnung oder die nationale Sicherheit bedroht sieht. Und das brutale Vorgehen der Polizisten - die Demonstranten auf dem Taksim-Platz krankenhausreif schlugen und die Besetzer des Gezi-Parks noch vor Ablauf des Ultimatums zusammenprügelten - wurde kürzlich von Erdogan noch als "legendäres Heldentum" gefeiert.

Wenige Tage später setzt man sich dann mit der EU an den Verhandlungstisch, tut so, als sei nichts gewesen und fordert weiterhin den Beitritt. Die Türken wollen offenbar mit Gewalt nach Europa. Aber ehrlich gesagt, was sollen wir uns da noch aufregen? Die Bulgaren und Rumänen haben sie ja schließlich auch schon in die EU gelassen. Und selbst in Deutschland nimmt man es mit den Menschenrechten offenbar nicht so genau, Stichwort Niedriglohnsektor (z.B. Subunternehmen im Reinigungsgewerbe oder der Fleischindustrie). Auf ein EU-Land mehr oder weniger, das die Menschenrechte und die Demokratie mit Füßen tritt, kommt es dann doch auch nicht mehr an...

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